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Sieg und Scheitern der Revolution
Die Revolutionen von 1776 in Amerika und 1789 werden in der bürgerlichen Geschichtsschreibung gern als Erfolg und Beginn einer neuen Ära - der "Moderne" - verklärt. Das ihnen folgende Leid - Sklaverei in den USA, Kriege in Europa - und Korruption, Machtgier und Größenwahn ihrer Protagonisten werden bagatellisiert. Unerfreuliche Begleiterscheinungen einer an sich guten Sache, bei der die Errungenschaften die Nachteile aufgewogen haben. Allerdings hatten die Zeitzeugen ein differenzierteres und kritischeres Bild als bürgerliche oder auch linke Apologeten späterer Epochen. So soll Tom Paine die Revolution von 1776 später enttäuscht als "Putsch" abgewertet haben. Bei der Französischen Revolution entging er dann nur durch einen Zufall der Guillotine. So wie Stalin 130 Jahre später viele Bolschewiki liquidieren ließ, landeten damals auch viele Menschen unter der Guillotine, die doch an die Ideale der Aufklärung glaubten.
Warum fressen Revolutionen stets ihre eigenen Kinder?
Wie kritisch schon die Zeitgenossen das sahen, zeigt das Beispiel des Komponisten Ludwig van Beethoven (1770-1827). Über seine 3. Sinfonie steht auf Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/3._Sinfonie_(Beethoven)
Kritik an und Enttäuschung über Revolutionen sind so alt wie diese selbst. Sie haben nichts mit dieser oder jener Ideologie zu tun - bürgerlich oder kommunistisch, säkular oder islamisch - sondern beruhen auf Grundmustern, die allen Revolutionen von 1776 bis 1989 gemeinsam sind.
So liegt es nicht am "Kommunismus" im Sinne einer Blaupause, dass die Revolutionen von 1917 in Russland und 1948 in China in Tyrannei und Massenmord endeten. Napoleon war kein Kommunist, aber er agierte nicht anders als Lenin und Stalin in der SU und Mao in Rotchina. Alle spielten sich als die großen Modernisierer auf und ließen dafür Millionen Menschen sterben.
Nur schimpft das bürgerliche Lager gern auf die Roten im 20. Jahrhundert und vergisst, dass seine eigenen Revolutionen davor ebenso schlimm waren.
Da ist immer ein System, das fertig hat und jeden Rückhalt verloren hat. Da sind immer Idealisten, die aus ehrlichen Motiven dieses System bekämpfen. Da ist eine Krise, wegen der das alte System seine Machtbasis verliert. Da mögen Unterstützer aus dem Ausland beim Umsturz helfen oder die Revolution mag selbst "exportiert" werden. Da sind aber auch immer die Machtkämpfe nach dem Umsturz, der Austausch alter Tyrannei gegen neue. Nur zu oft ist es nach dem Umsturz schlimmer als vorher, weil die neuen Tyrannen taten- und blutdurstiger sind als die, die sie gestürzt haben. Zum bösen Ende fühlen sich viele total verarscht. Und die Enttäuschung ist so alt wie die Moderne.
Die Revolutionen von 1776 in Amerika und 1789 werden in der bürgerlichen Geschichtsschreibung gern als Erfolg und Beginn einer neuen Ära - der "Moderne" - verklärt. Das ihnen folgende Leid - Sklaverei in den USA, Kriege in Europa - und Korruption, Machtgier und Größenwahn ihrer Protagonisten werden bagatellisiert. Unerfreuliche Begleiterscheinungen einer an sich guten Sache, bei der die Errungenschaften die Nachteile aufgewogen haben. Allerdings hatten die Zeitzeugen ein differenzierteres und kritischeres Bild als bürgerliche oder auch linke Apologeten späterer Epochen. So soll Tom Paine die Revolution von 1776 später enttäuscht als "Putsch" abgewertet haben. Bei der Französischen Revolution entging er dann nur durch einen Zufall der Guillotine. So wie Stalin 130 Jahre später viele Bolschewiki liquidieren ließ, landeten damals auch viele Menschen unter der Guillotine, die doch an die Ideale der Aufklärung glaubten.
Warum fressen Revolutionen stets ihre eigenen Kinder?
Wie kritisch schon die Zeitgenossen das sahen, zeigt das Beispiel des Komponisten Ludwig van Beethoven (1770-1827). Über seine 3. Sinfonie steht auf Wikipedia:
Beethoven war als junger Mann begeisterter Anhänger der Französischen Revolution (1789–1799) und später ein Bewunderer Napoleons, der die Freiheitsideen durch Gesetzgebung und Kriege in ganz Europa verbreitete. Napoleon wurde damals häufig mit dem griechischen Halbgott Prometheus verglichen, der den Göttern das Feuer (also den Verstand) stahl, um die unvollkommenen Menschen damit zu vollenden und zu befreien - er konnte also als ein Held der Aufklärung gelten.
Frankreich versank bald nach der Revolution in Gewalt und Terror, und viele Intellektuelle suchten eine Erklärung für das Scheitern der anfangs so vielversprechenden Revolution. Laut Schiller waren die Menschen nicht reif für den Gebrauch ihrer Freiheit, weil die Erziehung der Aufklärungszeit einseitig den Verstand geschult hatte, der aber ohne den Gebrauch des Gefühls nicht richtig eingesetzt wurde. In seinem Programm zur „Ästhetischen Erziehung des Menschen“ (1795) forderte Schiller eine Schulbildung in Wissenschaft und Künsten für die gesamte Bevölkerung als Voraussetzung für die Schaffung einer besseren Gesellschaft nach einer erfolgreichen Revolution.
(...)
Diesen Gedankengang stellte Beethoven im Jahr 1802 allegorisch verschlüsselt in seiner Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“ musikalisch dar, indem er die stumpfsinnigen Menschen erst durch künstlerische Erziehung bei den Göttern und Musen des antiken Götterbergs Parnass ihre volle Menschlichkeit erlangen lässt.
Für das optimistische Finale benutzt Beethoven einen simplen, selbst komponierten „Kontratanz“ aus der vergangenen Karnevalssaison, um zu betonen, dass seiner Meinung nach die Zukunft nicht den Göttern und Königen gehört, sondern dem aufstrebenden Bürgertum.
In der für ihn persönlich sehr schwierigen Zeit nach 1800 suchte Beethoven musikalisch und beruflich verzweifelt neue Wege; so plante er offenbar, von Wien in das fortschrittliche Paris überzusiedeln und als Präsentationsstück seine 3. Sinfonie Napoleon zu widmen; er nannte sie Sinfonia grande, intitolata Bonaparte. Daher ließ er sich in der großen Anlage und in vielen Details der Sinfonie vom Handlungsverlauf des Prometheus-Balletts leiten, was man am deutlichsten daran erkennt, dass im Finale mehrere Variationen über den Prometheus-Kontretanz erklingen.
Aus Enttäuschung über Napoleon, als dieser sich 1804 selbst zum Kaiser krönte (...) nahm er die Widmung an Napoleon mit den Worten 'Ist der auch nicht anders, wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher, wie alle Anderen stellen, ein Tyrann werden!' zurück, verarbeitete aber in dem Werk die in ihm herrschende Spannung zwischen französischen Revolutionsidealen (indem er französische Elemente verwendete) und deutschem Patriotismus (Anklänge an Bachs Polyphonie sind deutlich). 1806 betitelte er seine 3. Sinfonie als „Sinfonie, komponiert um das Andenken eines großen Mannes zu feiern“. Sie trug die Überschrift „Heroische Sinfonie“, auch Eroica genannt.
Beethoven war nach der Krönung Napoleons zum Kaiser zwar schwer enttäuscht und sah die Ideale der Französischen Revolution verraten, doch drückt sich in der Tatsache, dass er seine Symphonie musikalisch unverändert ließ, seine unbeirrbare Hoffnung auf eine Zukunft aus, in welcher die Ideale „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ verwirklicht würden.
http://de.wikipedia.org/wiki/3._Sinfonie_(Beethoven)
Kritik an und Enttäuschung über Revolutionen sind so alt wie diese selbst. Sie haben nichts mit dieser oder jener Ideologie zu tun - bürgerlich oder kommunistisch, säkular oder islamisch - sondern beruhen auf Grundmustern, die allen Revolutionen von 1776 bis 1989 gemeinsam sind.
So liegt es nicht am "Kommunismus" im Sinne einer Blaupause, dass die Revolutionen von 1917 in Russland und 1948 in China in Tyrannei und Massenmord endeten. Napoleon war kein Kommunist, aber er agierte nicht anders als Lenin und Stalin in der SU und Mao in Rotchina. Alle spielten sich als die großen Modernisierer auf und ließen dafür Millionen Menschen sterben.
Nur schimpft das bürgerliche Lager gern auf die Roten im 20. Jahrhundert und vergisst, dass seine eigenen Revolutionen davor ebenso schlimm waren.
Da ist immer ein System, das fertig hat und jeden Rückhalt verloren hat. Da sind immer Idealisten, die aus ehrlichen Motiven dieses System bekämpfen. Da ist eine Krise, wegen der das alte System seine Machtbasis verliert. Da mögen Unterstützer aus dem Ausland beim Umsturz helfen oder die Revolution mag selbst "exportiert" werden. Da sind aber auch immer die Machtkämpfe nach dem Umsturz, der Austausch alter Tyrannei gegen neue. Nur zu oft ist es nach dem Umsturz schlimmer als vorher, weil die neuen Tyrannen taten- und blutdurstiger sind als die, die sie gestürzt haben. Zum bösen Ende fühlen sich viele total verarscht. Und die Enttäuschung ist so alt wie die Moderne.