TO-2 Antrag zur Tagesordnung
Resolution „Europa neu denken“
Antragsteller: fünf ordentliche Delegierte;
ausreichende Anzahl von Delegierten nach § 11 Abs. (10) (a) Bundessatzung, Antragsteller
wurden von der BGS geprüft und liegen vor.
Der Bundesparteitag möge beschließen:
Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung des 13. Bundesparteitages am 17./18./19. Juni
2022 um den Punkt: Beratung und Beschluss der Resolution „Europa neu denken – Reso-
lution zur Europapolitik“ zwischen TOP 7 und TOP 8 der vorläufigen Tagesordnung sowie
(a) Beauftragung der Bundesprogrammkommission, den Resolutionstext bis zum 31. Ok-
tober 2022 zu einem Richtlinienpapier im doppelten, maximal dreifachen Umfang des
Resolutionstextes zu erweitern und (b) Beauftragung der thematisch betroffenen Bun-
desfachausschüsse, ihre Beiträge zum Europawahlprogramm 2024 in Entsprechung zu
den Richtlinien zu verfassen.
Text der Resolution:
„EUROPA NEU DENKEN
Resolution zur Europapolitik – Alternative für Deutschland
I. Prämissen
EUROPA IN DER MULTIPOLAREN WELTORDNUNG
Die Welt ist in Unruhe geraten, eine neue Weltordnung ist im Entstehen. Der Ukraine-
Konflikt und der Rückzug der USA und ihrer Verbündeten aus Afghanistan haben dabei
erhellt, dass der Universalismus des Westens gescheitert ist und seine Sicherheitspolitik
vielfach auf Illusionen beruhte. Der Ukraine-Konflikt hat auch vor Augen geführt, dass
die Sicherheitsinteressen Europas und der USA nicht deckungsgleich sind. EUROPA wäre
der primäre Schauplatz einer nuklearen Eskalation.
Die Konflikte und Konkurrenzen der kommenden Jahrzehnte werden vor allem zwischen
Kulturräumen ausgetragen. Deutschland und seine europäischen Partner müssen sich
entscheiden, ob sie in diesem Geschehen zum Objekt fremder Interessen werden, oder
ob sie es aktiv mitgestalten wollen. Sie müssen sich entscheiden zwischen einem neuen
bipolaren Ringen von Supermächten (USA und China) oder einer multipolaren Weltord-
nung des Interessenausgleichs und der Koexistenz.
Doch Europa ist weder mental noch materiell gerüstet, dieser Situation zu begegnen. Ge-
opolitische Schlafwandler, sind seine Eliten zu Akteuren einer forcierten Globalisierung
herabgesunken, während die Bevölkerungen dem Erziehungsprogramm der politischen
Korrektheit unterzogen werden. Die Folgen sind die Preisgabe menschlich-sozialer Ge-
wissheiten, ein fehlender Wille zur Selbstbehauptung und der Verlust der Wehrhaf-
tigkeit.
Die AfD ist nicht bereit, diese Zustände hinzunehmen. Denn als patriotische Deutsche
sind wir auch überzeugte Europäer. Wir treten ein für einen starken europäischen Pol in
der multipolaren Weltordnung, für ein Europa, das uns schützt.
Dafür braucht es nicht die Ad-hoc-Verkündung einer „sicherheitspolitischen Zeiten-
wende“, sondern eine grundlegende Erneuerung der europäischen Zusammenarbeit.
Europa muss erwachsen werden – mit einem starken und zuverlässigen Deutschland als
Partner auf diesem Weg.
EUROPÄISCHE IDENTITÄT: EINHEIT IN DER VIELFALT
Deutschland ist ein Land in der Mitte des Kontinents und war viele Jahrhunderte Vermitt-
ler zwischen Nord und Süd, Ost und West. Es inspirierte auf vielfältige Weise seine euro-
päischen Nachbarn – und wurde umgekehrt von ihnen inspiriert. Die Völker Europas ver-
bindet – bei allen Konflikten, die es zwischen Herrscherhäusern und Machthabern gege-
ben hat – ihre gemeinsame Geschichte und die Bindung an gemeinsame Werte.
Insbesondere die griechische Naturphilosophie, das römische Recht, das Christentum
und die Aufklärung entfalteten eine prägende Wirkung über die unterschiedlichen Le-
bensweisen und Charaktere der europäischen Völker hinweg. Dazu gehören auch die
Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt und die unabhängige Entwicklung der
Wissenschaften, die die Grundlage für die Führungsrolle Europas in der Neuzeit bildete.
In Verbindung mit einer einzigartigen Entwicklung der Künste entstand Europa als ein
Kulturraum, der sich deutlich von anderen Kulturräumen unterscheidet.
Es gehört zur Tragik des Menschen, die von ihm geschaffenen Kräfte auch immer wieder
gegen sich selbst zu wenden. So kam es auch im Zuge der Bildung und Konsolidierung der
Nationalstaaten, die sich als Organisationsform der Völker bewährt hatten, zu destrukti-
ven Rivalitäten und Konflikten, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in zwei ver-
heerenden Weltkriegen kulminierten.
AUFSTIEG UND FALL DER EUROPÄISCHEN UNION
Aus diesen Gründen erhielt nach dem Zweiten Weltkrieg der Gedanke einer europäi-
schen Einigung starken Auftrieb.
Nach den gängigen Bildern bezeichnet die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für
Kohle und Stahl (Montanunion) 1951 den Beginn einer Erfolgsgeschichte, in der die Aus-
söhnung zwischen den Völkern Europas und eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zum
Wohle aller verwirklicht werden sollte. Mit dem Ausbau der Verträge und der Beitrittsge-
legenheiten wuchs die Zahl der Mitglieder dann von anfänglich sechs auf bis zu 28 in der
Europäischen Union an.
Doch mit der Größe wuchs auch die Unterschiedlichkeit der Hintergründe, Sichtweisen
und Erwartungen. Die Verfahren wurden länger und komplizierter, eine gemeinsame Öf-
fentlichkeit undenkbar, die Rückbindung an die Völker zur Fassadendemokratie.
Der weitere Fortgang wurde dann von linksliberalen Ökonomen und moralisierenden
Sozialwissenschaftlern bestimmt. Ihr gemeinsamer Angriff galt dem Nationalstaat, auf
den die Verantwortung für die entstandene Problemlage projiziert wurde.
Den Globalisten war der Nationalstaat als einziger ernstzunehmender Gegenspieler
multinationaler Konzerne und supranationaler Organisationen ein Dorn im Auge. Sou-
veränitätsentzug zugunsten einer globalisierungsfreundlichen Brüsseler Zentralgewalt
war für sie daher die wichtigste allgemeine Zielstellung, unterstützt vom Europäischen
Gerichtshof und von Kadern hochbezahlter Bürokraten. Ihre Skrupellosigkeit zeigte sich
nicht zuletzt darin, „bei Bedarf“ sogar gegen vertraglich festgelegte Grundsätze der EU zu
verstoßen (z. B. die No-Bailout-Klausel des Art. 125 AEUV und das Verbot der Schulden-
aufnahme zur Finanzierung des EU-Haushalts).
Von den Sozialwissenschaftlern wurde der Nationalstaat zu einer steten Quelle von Ras-
sismus und Krieg erklärt und die Schuldfeststellung vom deutschen Beispiel aus auf na-
hezu sämtliche Nationalstaaten erweitert. Heterogenisierung der Völker, politische Kor-
rektheit und eine postnationale Grenzenlosigkeit wurden als Leitmotive ausgerufen, die
die Welt retten sollen – tatsächlich aber die abendländische Identität dem Zeitgeist op-
fern und die Länder Europas in die Selbstauflösung führen.
Europa, einst Wiege der Freiheitsidee, ist zu einem Projekt abgehobener Eliten geworden,
an dessen Ende mit der heutigen EU ein fehlgeleitetes und dysfunktionales politisches
Gebilde steht.
II. RESOLUTION: EUROPA NEU DENKEN
Damit die Staaten Europas wieder zu Leuchttürmen für Freiheit und Demokratie werden
können, hält die AfD eine einvernehmliche Auflösung der EU und die Gründung einer
neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig – als ei-
nem Staatenbund souveräner und eigenverantwortlicher Nationen. Wir halten das für
geboten, weil wir das wahre Europa wertschätzen und erhalten wollen.
Als zentrale gemeinsame Interessen betrachten wir (1) einen gemeinsamen Markt, (2) die
Erlangung strategischer Autonomie, (3) den wirksamen Schutz der Außengrenzen und
(4) die Bewahrung der europäischen Kultur und Identität. Zwischen diesen Grundpfei-
lern soll es (5) ein flexibles Europa funktionaler Verträge geben, die unabhängig vonei-
nander, bi- oder multilateral, zwischen Mitgliedsstaaten abgeschlossen werden können.
„Einheit und Stärke nach außen und subsidiäre Vielfalt nach innen“ lautet daher die For-
mel, mit der die AfD den europäischen Pol in der multipolaren Weltordnung aufstellen
will.
2022-06-02-Antragsbuch_Riesa_anonymisiert.pdf (PDF)