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Geld und Sinn - Die Krise hat erst begonnen.

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PS: Er wird diesen Plan am 2. April in London (!) vorlegen.
Na, mal sehen wie Rom reagiert.
Seit dem polnischen Papst gehe ich eigentlich davon aus, dass in Rom nur noch wenige versprengte Kräfte im Widerstand sind.

Siehst Du das wirklich anders?
 
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Seit dem polnischen Papst gehe ich eigentlich davon aus, dass in Rom nur noch wenige versprengte Kräfte im Widerstand sind.

Siehst Du das wirklich anders?

Hi Hellmann,

von Widerstand kann man nicht wirklich sprechen,
denn beide haben wohl dasselbe Ziel.

Und obwohl sie in Konkurrenz stehen, ihre Spielfiguren sind dieselben, wir.
Eine interessante Dreiecksgeschichte:
Unseren Glauben an das Zentralgeld vs. unseren Glauben an die "richtige" Universalreligion. Rom (der Vatikan) gegen London (City of London).

Analogien finden wir auch in der Gegenwartspolitik, in der amerikanischen Gründungsgeschichte bis zum heutigen Zweiparteien-System und der daraus folgenden US-Politik. Aber ebenso in Israel/Jerusalem um das sich erbittert gestritten wird.

Mit dem Ausspielen der Karte "Finanzkrise" verlor vor allem auch der Vatikan. Gerade in dem Moment, als er begann wieder richtig in Fahrt zu kommen... Die Nummer mit der Pius-Bruderschaft ist kein Ungeschick gewesen, so trottelig ist Ratzinger nicht, glaub ich nicht.
 
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Wenn ich euch so lese, fühle ich mich in die Zeit Heinrichs des 8. zurückversetzt.
 
OP
I

Iphigenie

Krise des Kapitalismus

Krise des Kapitalismus
Rainer Roth

Die Aufarbeitung der gegenwärtigen Krise müsse »ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und gegen den Shareholder-Value-Kapitalismus beinhalten«, meint der DGB-Vorsitzende Michael Sommer. Damit ist er auf Regierungslinie. »Die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft müssen weltweit beachtet werden. Erst das wird die Welt aus der Krise führen«, so Kanzlerin Merkel. Auch Finanzminister Peer Steinbrück ortet die Krise in den USA, nicht in Deutschland.

Die Gesamtverschuldung der USA liegt mit rund 50 Billionen Dollar beim 3,8-fachen des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also des Gesamtwertes aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Jahr innerhalb einer Volkswirtschaft hergestellt wurden. Ein bedeutender Teil der US-Kredite – Ansprüche an US-Schuldner – wurden weltweit verkauft, vor allem Hypotheken. Auch Kredite an eigentlich zahlungsunfähige Schuldner wurden als Wertpapier verpackt und mit Kreditversicherungspapieren ohne ausreichende Deckung versichert.

Die Gesamtverschuldung Deutschlands ist unbekannt. Sie dürfte aber ebenfalls beim Zwei- bis Dreifachen des BIP von 2,5 Billionen Euro liegen. Und deutsche Banken haben lt. FAZ »Finanzprodukte aus der Wall-Street begeistert ins eigene Haus« geholt, für die sie im Versicherungsfall eintreten müssen.

Die Ursachen waren in den USA und in Deutschland gleich. Der stark gestiegene weltweite Kapitalüberschuß hat dazu geführt, daß sich die Bilanzsummen der Banken enorm ausweiteten und sich im letzten Konjunkturzyklus von 2000 bis 2006 auf 75 Billionen Dollar mehr als verdoppelten, die außerbilanziellen Geschäfte nicht gerechnet. Im Euro-Raum stiegen die Bilanzsummen der Banken noch schneller als in den USA. Deutsche Banken legten von 2000 bis 2008 um etwa 2.000 Milliarden Euro zu, während das BIP nur um 500 Milliarden Euro stieg. Deutschland, dessen Exporte die Hälfte des BIP ausmachen, profitierte in starkem Maße vom Kreditdoping, mit dem weltweit die Konjunktur am Leben gehalten wurde.

Kredite waren die Hauptform, die Kapitalüberschüsse anzulegen. Zwei Drittel bis drei Viertel der Bankprofite stammen aus dem Kreditgeschäft. Das Überangebot an Geldkapital drückt jedoch das Zinsniveau nach unten und untergräbt damit die Hauptquelle der Bankprofite, den Zins.

Die Durchschnittsraten der Zinsen für Dreimonatsgeld und für langfristige Anleihen der öffentlichen Hand sind in den letzten Jahrzehnten weltweit gefallen. Vor allem aber ist die Zinsspanne gefallen, verstärkt ab Mitte der 1990er Jahre, in Deutschland zum Beispiel von 1,9 Prozent im Konjunkturzyklus 1980–1991 über 1,6 Prozent im Zyklus 1991–2000 auf 1,15 Prozent im Zyklus 2000–2007. Die Zinsspanne ist das Verhältnis des Zinsüberschusses zum insgesamt in Bewegung gesetzten Kapital, der Bilanzsumme. Der langfristige gefallene Zinsfuß spiegelt auch wieder, daß Zinsraten abnehmen, wenn die Profitraten langfristig fallen. Deshalb sagt Karl Marx: »abgesehen von der Profitrate, (hat) der Zinsfuß eine Tendenz zum Fallen ... infolge des Wachstums des verleihbaren Geldkapitals«. Der Fall der Zinsen und der Zinsmargen trug erheblich zu einem langfristigen Fall der Eigenkapitalrenditen der Banken bei, die in der letzten Krise 2000–2003 auf neue Tiefstände sanken. Die Methoden, mit denen man dieses Problems Herr zu werden versuchte, sind der Ausgangspunkt für die noch tiefere Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007.

Das Prinzip dieser Methoden bestand darin, die Profitmasse mit einem hohen Einsatz von Krediten und möglichst wenig Eigenkapital zu steigern und darüber die Eigenkapitalrendite hochzuhebeln. Die Explosion der Verbriefungen von Krediten in Form von Wertpapieren, der Credit Default Swaps, der außerbilanziellen Zweckgesellschaften, der Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften und die Explosion der Wettgebühren aus dem Verkauf von Wetten auf Preise, Kurse, Währungen, Rohstoffe und so weiter haben hier ihre Ursache.

Diese Methoden waren keine »Fehler« von gierigen Bankern ohne soziale Verantwortung, sondern im Großen und Ganzen sachliche Notwendigkeiten, die von den ökonomischen Gesetzen der Kapitalverwertung diktiert wurden. Und die gelten auch in einem Deutschland, das sich als Soziale Marktwirtschaft verkleidet. Immerhin ließ sich Axel A. Weber, der Präsident der Bundesbank, im Handelsblatt die Einsicht entlocken: »Die Verluste (der Kreditwirtschaft in Deutschland) kommen vor allem aus Wertpapierportfolien, die aufgebaut wurden, um die zu geringen Margen im Kreditgeschäft im Inland zu ersetzen und durch höhere Erträge am Kapitalmarkt oder von Immobilienmärkten im Ausland auszugleichen.« Ein herausragendes Eingeständnis, da sich sonst nahezu niemand zur Entwicklung der Profitraten äußert.

Die Gründe, weshalb die Müllpapiere in den USA produziert und auch in Deutschland gekauft wurden, waren die gleichen: enorme Probleme bei der Verwertung von Überschußkapital. Die Kapitalverwertung, egal ob unter dem Titel Neoliberalismus oder Soziale Marktwirtschaft, führt in die Finanzkrise hinein, nicht hinaus. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums könnte bis zu einer Billion Euro an Kapital in den Aktiva deutscher Banken abgeschrieben werden, damit die »Soziale Marktwirtschaft« die Krise »lösen« kann. Daß der Reichtum, den die LohnarbeiterInnen produzieren, die Eigenschaft hat, Kapital zu sein, und nicht dazu dient, gesellschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen und die Lebensverhältnisse der breiten Masse zu verbessern, ist eine Grundbedingung dieser Krise. Die Soziale Marktwirtschaft verjubelt den Reichtum dieser Gesellschaft lieber in Spekulation, als ihn für höhere Löhne, höhere Renten oder Arbeitslosenunterstützungen zu verwenden.

Michael Sommer gibt als Ziel der geplanten bundesweiten DGB-Demonstration am 16.Mai die »echte Renaissance der Sozialen Marktwirtschaft« aus. Der bisherige Aufrufentwurf für eine bundesweite Demonstration gegen die Abwälzung der Krisenlasten am 28.3. in Frankfurt und Berlin steht – maßgeblich zurückzuführen auf die Intervention von Attac und der Linkspartei – für einen »Systemwechsel« zu einer »solidarischen Gesellschaft« auf der Basis einer sozial und ökologisch gezähmten Marktwirtschaft. Ob unter der Formel »Marktwirtschaft für Menschen« oder »solidarische Gesellschaft« durch »solidarische Umverteilung« beziehungsweise Verteilungsgerechtigkeit – die Proklamation einer sozialen Kapitalverwertung ist allemal illusionär.

Für die Lohnabhängigen stellt sich nicht die Aufgabe, die Kapitalverwertung und damit die Grundbedingung von Verarmung und Krisen zu verteidigen, sondern sie anzugreifen.

Gute Real-, böse Finanzwirtschaft?
Nun fordert zum Beispiel die IG Metall: »Um die Realwirtschaft vor der Ansteckung durch die Finanzmarktkrise zu schützen, muß das Vertrauen in das Bankensystem wieder hergestellt werden.« Aber lassen sich Real- und Finanzwirtschaft auseinanderhalten? Auch Industriekonzerne verwalten riesige Kapitalüberschüsse. Die Kapitalüberschüsse, die die Finanzmärkte aufblähen, sind in der sogenannten Realwirtschaft erzeugt worden. Banken, Versicherungen und Pensionsfonds verfügen über Gelder von Unternehmen und privaten Haushalten, die überschüssig sind, das heißt im Reproduktionsprozeß des Kapitals zeitweise oder dauerhaft brachliegen. Wie eng Finanz- und Realwirtschaft zusammenhängen, zeigt sich aber auch daran, daß die angeblich so solide Realwirtschaft ohne die enorme Expansion der Verschuldung, der Finanzmärkte und der Zockergewinne aus den Immobilien- und Aktienblasen die Wachstumsraten des letzten Konjunkturzyklus gar nicht hätte erzielen können. Auch die Explosion der Geldmenge, eine indirekte Folge der Kreditnachfrage, förderte die Produktion. Solange der Laden lief, beschwerten sich die Vertreter der »Realwirtschaft« und ihre Sozialpartner nicht und lobten die USA sogar als das Land der niedrigen Zinsen.

Das Kreditdoping, möglich durch den Kapitalüberschuß der Realwirtschaft, produzierte die Scheinblüte der Realwirtschaft. Es ist aber zugleich Ursache der heutigen tiefen Krise. Es trieb die Produktion noch weiter über die Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft hinaus, als sie es aufgrund der Produktion von Privateigentümern für unbekannte Märkte ohnehin getan hätte. Die Kreditansprüche, die die Realwirtschaft beflügelten, wuchsen so weit über die reale Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft hinaus, daß sie heute billionenfach abgeschrieben werden müssen. Der Kredit, untrennbarer Bestandteil der Realwirtschaft, erweist sich, wie die gegenwärtige Finanzkrise zeigt, als gewaltiges Mittel zur tiefen Erschütterung der bestehenden Produktionsweise.

Richtig ist: So, wie das gegenwärtige Finanzsystem konstruiert ist, kann es nicht bleiben. Was muß dringend geändert werden?

Die wichtigste Größe, die darüber bestimmt, ob die Banken in der Lage sind, im Krisenfall für ihre Verluste eigenverantwortlich ohne Staatshilfe aufzukommen, ist ihr Eigenkapital. Je geringer das Eigenkapital, desto eher kalkulieren Banken staatliche Hilfe ein. Sie wollen möglichst wenig Eigenverantwortung für die eingegangenen Risiken übernehmen. Der Staat soll es richten.

Das Eigenkapital der US-amerikanischen Geschäftsbanken belief sich Ende 2008 auf 1,2 Billionen Dollar, die Bilanzsumme auf 12,4 Billionen Dollar. Die Eigenkapitalquote der Geschäftsbanken, bezogen auf ihre Bilanzsumme, betrug also 9,7 Prozent. Die Banken der sogenannten Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland stehen noch schlechter da. Sie verfügten im Oktober 2008 über ein Eigenkapital in Höhe von 366 Milliarden Euro, ihre Bilanzsumme betrug 8.030 Milliarden Euro, die Eigenkapitalquote also mit 4,6 Prozent nur die Hälfte derjenigen der USA. Das Flaggschiff der Sozialen Marktwirtschaft, die Deutsche Bank, deren Bilanzvolumen in etwa dem BIP Deutschlands entspricht, hat ihre Bilanzsumme von 2.061 Milliarden Euro mit einem Eigenkapital von 32,8 Milliarden Euro unterlegt. Für risikobehaftet hält die Deutsche Bank nur Aktiva in Höhe von 319 Milliarden Euro. Wenn nur zehn Prozent davon abgeschrieben werden müßten, wäre das Eigenkapital aufgezehrt und die Deutsche Bank wäre pleite, wenn sie kein neues Kapital bekommt.

Die FAZ warnt in diesem Zusammenhang davor, »daß ein vergleichsweise geringer Wertberichtigungsbedarf oder Verlust bei den Aktivposten Kapital und Rücklagen empfindlich schmälern, wenn nicht aufzehren kann. Ginge eine Bank pleite, müßten auch die Einleger und Halter von Bankanleihen einen Teil der Verluste schultern, was eine Kettenreaktion auslösen könnte.« Daraus ergeben sich Forderungen wie die folgenden: Die Eigenkapitaldeckung für Finanzgeschäfte muß erheblich ausgedehnt werden, vielleicht auf 20 Prozent der gesamten Bilanzsumme, nicht nur auf die risikogewichtete Bilanzsumme. So war es bis in die 1940er Jahre.

Der Einlagensicherungsfonds der Privatbanken ist so auszustatten, daß die Banken auch tatsächlich gegenseitig für Bankrotte aufkommen können und nicht der Staat.

Die Verbriefung von Krediten ist zu untersagen, ebenso ihre Versicherung über Käufer von handelbaren Kreditversicherungswertpapieren, die im Versicherungsfall gar nicht flüssig sind.

Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften müssen geschlossen werden oder, wenn nicht, dann den gleichen Eigenkapitalrichtlinien unterliegen wie Banken.

Der Handel mit Finanzprodukten wie Aktien, Devisen und so weiter muß mit Mehrwertsteuer belegt werden. Es geht nicht, daß der Kauf von Brot besteuert wird, nicht aber der Kauf einer Aktie.

Jeder Kapitalverkehr mit Steueroasen ist zu untersagen. Allein deutsche Banken haben 295 Milliarden Euro in Steueroasen angelegt, vor allem auf den Cayman Islands. Die Summe ist höher als der Bundeshaushalt.

Die Senkungen des Spitzensteuersatzes, die Senkung des Körperschaftssteuersatzes und die Abschaffung der Vermögenssteuer haben sich nur als Mittel erwiesen, den Finanzkonzernen das Spielkapital zuzuführen, das der Gesellschaft ungeheure Verluste zufügt. Spitzensteuersatz und Körperschaftssteuersatz müssen wieder auf 56 Prozent angehoben werden. Statt das Zockerkapital der Banken zu stärken, sollten die Mittel für massive Investitionen in Bildung, erneuerbare Energien, öffentlichen Nahverkehr und öffentlichen Wohnungsbau verwendet werden.

Diese Forderungen würden auf eine erhebliche Senkung der Profitraten der Banken hinauslaufen, aber auch der Nettoprofitraten der Unternehmen. Aus den neu erhobenen Gewinn- und Vermögenssteuern könnte auch der von attac geforderte Krisenfonds gespeist werden, der die Konsequenzen von Krisen abmildern soll. Die Finanzmärkte wären damit aber nicht entwaffnet. Ihre Waffe, das Geldkapital, das sie sammeln und anlegen, wäre immer noch in ihrer Hand.

Es wäre auch illusionär, diese Forderungen mit dem Wunsch zu verbinden, daß eine globale Finanzkrise wie die jetzige sich dann nicht wiederholen und daher die Realwirtschaft nie mehr anstecken könne, wie es die IG Metall meint.

Krisen entstehen, weil Unternehmen, ob Finanz- oder Industriekonzerne, jeder für sich in Konkurrenz zueinander Kapital verwerten und für unbekannte Märkte produzieren oder zum Beispiel Finanzprodukte verkaufen. Erst hinterher stellt sich heraus, ob die Märkte aufnahmefähig waren. Das treibt die Warenmasse und auch Kapitalmassen immer wieder über die Aufnahmefähigkeit der Märkte hinaus. Die Grundlagen für Krisen bestehen also trotz stärkerer Beschränkung der Kapitalverwertung weiter. Für Vertrauen in die Kapitalverwertung als stabile Grundlage besteht kein Anlaß, auch wenn dem Kapital Schranken gesetzt worden sind.

Demokratische Kontrolle der Finanzmärkte?
Mit den oben genannten Maßnahmen wäre auch keine demokratische Kontrolle der Finanzmärkte verwirklicht. Kontrolle von Märkten ist ein Widerspruch in sich. Märkte bestehen aus den unbekannten Wirkungen unbekannter Entscheidungen einer unbekannten Zahl von unbekannten Leuten, die auf unbekannte private Rechnung handeln. Märkte sind ihrer Natur nach unkontrollierbar, weil anarchisch.

Was soll Demokratie bedeuten? Die jetzige Krise führt zu einer gewaltigen Konzentration im Bankgewerbe. Enteignung einer Bank durch die andere, d.h. Monopolisierung ist die Devise. Der Staat überläßt diesen hochkonzentrierten Banken nach wie vor die Geschäftsführung. Die Verteilung der Staatsgelder an gefährdete Banken und Konzerne geschieht nicht öffentlich. Sie wird weitgehend Sonderetats und deren keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegenden Verwaltern überlassen. Da die Rettungsprogramme für Banken und Wirtschaft überwiegend mit Staatsschulden bezahlt werden, liefert sich auch der Staat immer mehr seinen Geldgebern und deren oligarchischer Kontrolle aus. Statt eines Prozesses der Demokratisierung sehen wir einen Prozeß wachsender Konzentration in weniger Händen. Und gerade die massive Ausdehnung der Staatsverschuldung, mit der die jetzige Krise bewältigt werden soll und die auch von DGB-Gewerkschaften befürwortet wird, stärkt die Dominanz der Finanzkonzerne. Die oben erwähnten Maßnahmen würden allerdings ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe erheblich einschränken.

Im Umfang des Geldkapitals drückt sich der Reichtum kapitalistischer Gesellschaften aus. Dieser Reichtum wird nicht verwandt, um Bereiche zu entwickeln, die unterdurchschnittliche oder gar keine Renditen abwerfen, zum Beispiel für den Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, den Ausbau erneuerbarer Energien, den Bau von Mietwohnungen, den Ausbau von Bildungs- und Kultur- und Sporteinrichtungen, die Förderung von Landwirtschaft und Handwerk. Er wird nicht in den Ausbau aller Möglichkeiten gesteckt, die individuellen Fähigkeiten jedes Einzelnen zu entwickeln, nicht in massive Arbeitszeitverkürzung, Gesundheitsprävention und bessere Krankenversorgung, kostenlose Befriedigung von Grundbedürfnissen nach Mobilität, den massiven Ausbau der Kinderbetreuung und so weiter. Er wird auch nicht zur Bekämpfung der Armut verwandt, die sich als Kehrseite des Reichtums ebenso schnell entwickelt wie dieser. Der Reichtum wird lieber in unglaublichem Umfang verwettet. Auf der Basis dieser asozialen Wirtschaft gibt es letztlich keine Lösung für die Probleme, die sie erzeugt. Die Krise mit der Explosion von Staatskrediten zu »lösen«, bereitet die nächste Krise vor, falls die jetzige überhaupt bewältigt werden kann.

Ein Systemwechsel wäre in der Tat nötig. In der Form, daß der wirtschaftliche Überschuß kein Kapital mehr und die Arbeitskraft keine Ware mehr ist. Die Produzenten des Reichtums müßten auch die Eigentümer ihrer Produktionsbedingungen sein, um zu ermöglichen, daß der von ihnen erarbeitete Reichtum für die maximale Entfaltung ihrer Bedürfnisse verwendet wird und nicht in Krisen vernichtet und in Spekulation verjubelt wird. Das wäre die Vorbedingung einer Gesellschaft, die man als solidarisch bezeichnen könnte.

Wir leben in einer Wirtschaftsordnung, in der die Menschen die wirtschaftlichen Abläufe nicht unter Kontrolle haben (denn keiner will doch Krisen), sondern in der sie durch die Produkte ihrer eigenen Arbeit beherrscht werden: durch sachliche, ökonomische Gesetze, die wie Naturgesetze wirken, aber von Menschen gemacht sind und damit nicht ewig gelten müssen. Erst wenn Menschen nicht mehr von den Naturgewalten der Kapitalakkumulation beherrscht werden, kann man davon sprechen, daß Zeiten angebrochen sind, in denen statt Abhängigkeit Freiheit, statt Demütigung Menschenwürde Einzug gehalten haben, Zeiten, die sich dadurch auszeichnen, daß die maximale Entwicklung des Potentials aller Menschen der einzige Zweck menschlicher Tätigkeit geworden ist.

Rainer Roth, der an der Fachhochschule Frankfurt am Main lehrt, hat unter dem Titel »Sie kriegen den Karren nicht flott« eine Broschüre zur Krise fertiggestellt, die gegen 3 Euro plus Porto über info@klartext-info.de zu beziehen ist.
 
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Wir brauchen ein anderes Geldsystem.

Der jetzige Zustand ist ein Desaster.

hier zu sehen
[ame="http://video.google.de/videoplay?docid=3700102745823992493&hl=de"]Die verbrecherische Geldsch?ng[/ame]


ich denke, wenn das alle Menschen wüssten, hätten wir morgen eine Revolution.
 
OP
I

Iphigenie

Wir brauchen ein anderes Geldsystem.

Der jetzige Zustand ist ein Desaster.

hier zu sehen
http://video.google.de/videoplay?docid=3700102745823992493&hl=de

ich denke, wenn das alle Menschen wüssten, hätten wir morgen eine Revolution.

Das Problem ist, daß höchstens 600 Millionen Menschen über
eine Schulbilgung verfügen, die sie befähigt, die vorgetragenen
Gedanken nachzuvollziehen.
Rund 6000 Millionen werden das niemals können, wobei es völlig
gleich ist, welche didaktischen Raffinessen man anwendet, um
ihnen diesen Stoff zu vermitteln: Es fehlen ihnen schlicht und
einfach die Kopfwerkzeuge.
Man hätte sie ihnen in der Kindheit und frühen Jugend geben
können, aber die Mächtigen der Welt wissen das bis auf den
heutigen Tag zu verhindern. So wird also vorerst nichts aus
dieser Revolution. -
- Was mich nicht davon abhält, unermüdlich eine Schulbildung
für alle bis zum 18. Lebensjahr ohne Abschluß und Schulpflicht
zu fordern.:)

grüße
Iphigenie
 
OP
I

Iphigenie

Wir brauchen ein anderes Geldsystem.

Eine andere Frage, die mir immer mal wieder durch den
Kopf geht, ist: Könnte die Menschheit ohne Geld leben.
Anders gefragt: Benötigt der Mensch, also die Spezies
Mensch, unbedingt Geld, um existieren zu können oder
könnte sie das auch ohne Geld?
Könnte es vielleicht gar sein, daß das Geld ein Hemmschuh
für die Entwicklung der Geistes- und Naturwissenschaften ist?


grüße
Iphi


siehe auch: http://www.politik-sind-wir.de/showthread.php?t=623 Kann es ein Leben nach dem Kapitalismus geben?
 
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Eine andere Frage, die mir immer mal wieder durch den
Kopf geht, ist: Könnte die Menschheit ohne Geld leben.
Anders gefragt: Benötigt der Mensch, also die Spezies
Mensch, unbedingt Geld, um existieren zu können oder
könnte sie das auch ohne Geld?
Könnte es vielleicht gar sein, daß das Geld ein Hemmschuh
für die Entwicklung der Geistes- und Naturwissenschaften ist?

Nun ja, generell schon, nur... wie soll man das organisieren.
Ich halte das zwar für eine Utopie, aber eine erstrebenswerte.

In Star Trek wird dieses Thema gestreift. Dort gibt es kein Geld innerhalb der Erdbevölkerung. Leider gehen Sie nicht darauf ein wie das funktionieren soll.

Was es aber gibt ist die Humanwirtschaft, mit Freigeld nach Gsell.
Ein Geld, welches generell so aufgebaut ist, wie das jetzige.
Es hat nur einen Unterschied. Die Umlaufgebühr. Durch diese Gebühr auf gehaltenes Geld werden Zinsen neutralisiert und die negativen Effeckte der jetzigen Zins-Wirtschaft würden verschwinden.
Dadurch würde nachhaltiges Wirtschaften erst Sinn ergeben.
Auch die Umverteilung von der Arbeit zum Kapital würde enden.
Steuern könnten gesenkt oder sogar abgeschafft werden.
Ein wahres Schlaraffenland, gegenüber dem jetzigen Desaster.
 
OP
I

Iphigenie

Hi @ all,

eine recht gute Analyse des augenblicklichen Zustandes
in unserem Lande. Von einem staatstragenden Wirtschaftsweisen
und Diplomvolkswirt.



Frankfurter Rundschau online vom 9.April 2009

"Renaissance des Staates"

Neue Balance von Staat und Markt

VON PETER BOFINGER




Wirtschaftskreislauf (Bild: FR-Infografik)

Mit der globalen Finanzkrise ist ein scheinbar kaum zu bremsender Siegszug des Marktes jäh gestoppt worden. Er hatte Anfang der achtziger Jahre mit Margaret Thatcher und Ronald Reagan begonnen. Zehn Jahre später kam er dann durch den Zusammenbruch des Ostblocks voll in Fahrt. Der Welthandel boomte, auf den Finanzmärkten wurden eindrucksvolle Renditen erzielt und für sehr viele Menschen stieg der Wohlstand. Je länger diese Entwicklungen andauerten, desto mehr wurde der Markt von Medien, Politikern und Experten zur Heilslehre verklärt. Das zentrale Dogma bestand darin, dass ein so weit wie möglich sich selbst überlassener Markt im Grund alle wirtschaftliche Probleme zu lösen in der Lage ist. Der Staat geriet dabei zunehmend in die Rolle eines Störenfrieds, der deshalb möglichst klein zu halten sei.



Mit dem Ende der Ära Kohl konnte sich diese Lehre auch in der deutschen Wirtschaftspolitik immer stärker durchsetzen. Mehr als in den meisten anderen europäischen Ländern wurde der Staat in diesem Jahrzehnt zurückgedrängt. In Deutschland war die Staatsquote (also die Staatsausgaben in Relation zur Wirtschaftsleistung) im Jahr 1999 mit 48,2 Prozent genauso hoch wie im Durchschnitt des Euroraums (ohne Deutschland). Im Jahr 2008 lag diese Größe in Deutschland bei nur noch 43,9 Prozent, im Rest des Euroraums waren es durchschnittlich immerhin 47,3 Prozent.



Wenn sich Deutschland an der in seinen Nachbarländern vorherrschenden Staatsquote orientieren würde, stünden dem Staat heute jährlich rund 85 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Dass die mit der Entstaatlichung frei werdenden Mittel vor allem zur steuerlichen Entlastung höherer Einkommen und von Kapitalgesellschaften eingesetzt wurden, war ebenfalls Ausdruck einer ausgeprägten Marktgläubigkeit, wonach Menschen nur dann bereit sind, eine gute Leistung zu erbringen, wenn sie dafür sehr viel Geld bekommen.



Durch die Finanzkrise hat das Vertrauen in die Allmacht des Marktes schwer gelitten. Wie konnte es dazu kommen, dass sich der Finanzmarkt, der von vielen Ökonomen als das Herzstück des Marktsystems angesehen wurde, im Grunde selbst zerstört hat und nur deshalb noch am Leben ist, weil er vom Staat seit nunmehr 20 Monaten gleichsam intensiv-medizinisch betreut wird? Im Rückblick zeigt sich, dass sich die Banken, wo immer es möglich war, den staatlichen Regulierungen entzogen haben. So haben sie in den Boomjahren ihre Geschäfte zunehmend über völlig unregulierte Schattenbanken (Zweckgesellschaften) abgewickelt. Die staatliche Funktion der Bankenaufsicht wurde de facto den gewinnorientierten Rating-Agenturen übertragen.


Zudem wurden - dem Zeitgeist gemäß - staatliche Risikobeschränkungen teilweise ganz aufgehoben oder aber so formuliert, dass sie von den Banken nach ihren eigenen Risiko-Einschätzungen gestaltet werden konnten. Als zentrale Lehre aus der Finanzkrise lässt sich deshalb festhalten, dass unregulierte Märkte dazu tendieren, sich selbst zu zerstören. Wenig überzeugend ist es, wenn manche Markt-Orthodoxe heute den Versuch unternehmen, den Staat für die Finanzkrise verantwortlich zu machen, weil seine Regulierungen zu schwach gewesen seien. Wenn ein schwerer Unfall geschieht, weil ein Fahrer die Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, würde man kaum auf die Idee kommen, den Staat dafür zur Rechenschaft zu ziehen, weil nicht hinter jedem Baum eine Radarfalle steht.



Man könnte erwarten, dass die Finanzmarktkrise zu einer grundlegenden neuen Sicht von Staat und Markt führt, bei der der Staat nicht mehr nur als ein Problem, sondern vielmehr als ein wichtiger Bestandteil der Problemlösungen angesehen wird. Bei der Diskussion über eine neue Finanzarchitektur ist dies durchaus zu beobachten. Wie auf dem G20-Gipfel vereinbart, sollen mehr Transparenz und bessere Eigenkapitalregeln dafür sorgen, dass Banken und Hedgefonds besser überwacht werden und mit Schocks besser zurechtkommen können.


Und durch langfristig ausgerichtete Vergütungsregeln soll dem Drang der Marktteilnehmer nach dem schnellen Geld entgegengewirkt werden.


Doch wenn man über den Bereich der Finanzmärkte hinausgeht, scheint sich an der allgemein negativen Einstellung gegenüber dem Staat nicht allzu viel geändert zu haben. Nach wie vor stehen Steuersenkungen hoch in der Gunst politischer Parteien, und mit der Schuldenbremse soll jetzt dem Staat für alle Zeit die Möglichkeit genommen werden, volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionen über Kredite zu finanzieren. Die Bundeskanzlerin hat in der "Bild" vom 11. März 2009 explizit darauf verwiesen, dass man so schnell wie möglich wieder zum "alten Kurs" zurückkehren wolle. Die Finanzkrise erscheint so fast wie ein Betriebsunfall auf dem weiteren Weg zur Entstaatlichung. Als Helfer in der Not war Staat gerade gut genug, aber man ist froh, wenn man ihn bald wieder loswerden kann.



Mit einer solchen Sichtweise läuft jedoch man Gefahr, nur die Spitze des Eisberges wahrzunehmen und dabei die tiefer liegenden Probleme des Marktes zu übersehen. Seine selbstzerstörerischen Kräfte sind nicht nur im Bereich der Finanzmärkte am Werke gewesen. Sie haben in weniger spektakulärer, aber nicht minder gefährlicher Form die Grundfesten der marktwirtschaftlichen Ordnung wie auch der Demokratie angegriffen. Der "alte Kurs" hat in diesem Jahrzehnt für die meisten Arbeitnehmer zu einem Rückgang ihrer Reallöhne und einer deutlich schlechteren kollektiven Absicherung ihrer Lebensrisiken geführt. Weil dabei gleichzeitig große Unternehmensgewinne und exzessive Vorstandsvergütungen realisiert wurden, ist es nicht überraschend, dass heute die Mehrheit der Bevölkerung keine gute Meinung mehr von der Marktwirtschaft hat. Auch die Zustimmung zur Demokratie hat darunter gelitten.


Das öffentliche Ansehen der Politiker ist so schlecht wie nie zuvor und die Beteiligung an Wahlen ist erschreckend niedrig. Von vielen Menschen wird der Staat nur noch als ein Monster wahrgenommen, von dem sie schamlos ausgenommen werden. Diese Entwicklungen sind nicht überraschend, da Deutschland, wie es der Soziologe Michel Foucault einmal formulierte ein "radikal ökonomischer Staat" ist. Die Legitimation des Staates ergibt sich vor allem daraus, dass er in der Lage ist, seinen Bürgern Wohlstand und soziale Sicherheit zu gewährleisten. Ein demokratischer Staat, der seine Bürger unter dem Schlagwort der Eigenverantwortung weitgehend ungeschützt den Kräften der Globalisierung aussetzt, untergräbt so auf Dauer seine eigene Existenzberechtigung.



Der Zusammenbruch der Finanzmärkte ist somit ein Weckruf an die Politik, an die Medien und die Interessenverbände, grundsätzlich über das Verhältnis von Markt und Staat in Deutschland nachzudenken. Es wäre für die Zukunft der Demokratie wie der Marktwirtschaft fatal, wenn man nach der Krise einfach in den alten Gleisen fortfahren wollte. Konzeptionell muss es in allen Bereichen des Wirtschaftslebens darum gehen, von einem Staat unter der Aufsicht des Marktes wieder zu einem Markt unter der Aufsicht des Staates kommen. Es kann nicht angehen, dass die Lebensverhältnisse der Menschen in Deutschland in erster Linie vom Markt bestimmt werden. Der Staat muss in der Lage sein, die Marktkräfte so zu kanalisieren, dass sie den Menschen dienen. Dass dies auch unter den Verhältnissen der Globalisierung kein frommer Wunsch ist, verdeutlichen die skandinavischen Länder ebenso wie unser Nachbarland Frankreich.



Wie könnte ein Kurswechsel aussehen? Wenn der Staat eine aktivere Rolle wahrnehmen soll, benötigt er finanzielle Ressourcen und Handlungskompetenzen. Der in diesem Jahrzehnt lange Zeit vorherrschende Prozess der Entstaatlichung muss daher so schnell wie möglich gestoppt werden. Dies erfordert vor allem, dass von weiteren Steuersenkungen Abstand genommen wird. In Relation zur Wirtschaftsleistung erzielt der deutsche Staat schon heute deutlich weniger Steuereinnahmen als die meisten anderen vergleichbaren Länder. Ohne eine angemessene Finanzausstattung wird es dem Staat nicht möglich sein, die Zukunft des Landes aktiv zu gestalten. Die für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft gleichermaßen erforderlichen Bildungsinvestitionen können nur vom Staat geleistet werden. Dies gilt auch für Zukunftsinvestitionen im Bereich der Infrastruktur sowie für Forschung und Entwicklung. Deutschland liegt bei den Zukunftsinvestitionen weit unter dem Durchschnitt der EU-Länder.



Die Defizite in diesen Feldern verdeutlichen zugleich, wie gefährlich es ist, den Staat seiner Handlungskompetenzen zu berauben. Mit der Schuldenbremse will die große Koalition im Grundgesetz ein Verschuldungsverbot für die Länder und eine maximale Neuverschuldung des Bundes von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts festschreiben. Damit versperrt sie dem Staat die Möglichkeit, kreditfinanzierte Investitionen für zukünftige Generationen vorzunehmen. Aus der Perspektive einer schwäbischen Hausfrau mag das eine gute Politik sein, eine schwäbischen Unternehmerin aber würde kaum auf eine rentable Investition verzichten, nur weil sie dafür einen Kredit aufnehmen muss.



Mehr Handlungskompetenzen benötigt der Staat auch auf dem Arbeitsmarkt. In kaum einem anderen europäischen Land ist die Stellung des einzelnen Arbeitnehmers im Lohnfindungsprozess so schwach wie in Deutschland. Mit einem allgemeinen Mindestlohn kann der Staat dazu beitragen, dass Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich zumindest eine existenzsichernde Entlohnung erhalten. Wer dies als einen staatlichen Eingriff in den Marktprozess ablehnt, hat nicht verstanden, was unter Wettbewerb gemeint ist. Es sollte dabei darum gehen, dass leistungsfähigere und innovativere Unternehmen erfolgreicher sind als andere. Es wäre falsch, wenn sich im Wettbewerb Unternehmen durchsetzen würden, die sich vor allem dadurch auszeichnen, die Löhne ihrer Arbeitnehmer besonders tief zu drücken.



Für die Bereitschaft der Bürger, dem Staat dauerhaft mehr Kompetenzen und Ressourcen zuzugestehen, kommt es entscheidend darauf an, dass die seit Jahren zu beobachtende Entfremdung der Bürger von ihrem Staat gestoppt wird. Eine faire Besteuerung der Bürger ist dafür eine wichtige Voraussetzung. Auf diesem Feld gibt in Deutschland viel zu tun. Während Arbeitnehmer - vor allem durch die Sozialabgaben - deutlich stärker belastet werden als in vergleichbaren Ländern, hält sich der Staat bei der Besteuerung von Vermögen und Erbschaften vornehm zurück. Bei der Einkommensteuer war die Belastung von Beziehern sehr hoher Einkommen noch nie so niedrig wie heute, sieht man einmal von dem Tiefstand des Jahres 2005 vor Einführung der Reichensteuer ab. Auch wenn es insgesamt keinen Spielraum für geringere Abgaben gibt, so besteht doch die Notwendigkeit, die Besteuerung wieder stärker am Prinzip der Leistungsfähigkeit auszurichten.



Aber auch über den Bereich der öffentlichen Abgaben hinaus trägt die Politik eine große Verantwortung, wenn es darum geht, dass die Bürger ein besseres Verhältnis zu ihrem Staat entwickeln. Es ist unverantwortlich, wenn von führenden Repräsentanten des Staates immer wieder der Eindruck erweckt wird, die öffentliche Hand gehe verschwenderisch mit Steuergeldern um. Und es ist eigentlich kaum nachzuvollziehen, dass es bis heute keine einigermaßen leicht verständliche Bürgerabrechnung gibt, in der den Bürgern einmal jährlich dargelegt wird, wofür der Staat ihr Geld eingesetzt hat. Dringend notwendig wäre zudem ein fortlaufendes Benchmarking der Staatsausgaben im europäischen Vergleich. Es würde schnell erkennen lassen, dass der deutsche Staat mit unterdurchschnittlichen Mitteln über die Runden kommen muss. Auch die Medien könnten einen Beitrag zu einem besseren Verhältnis der Bürger zum Staat leisten, nicht zuletzt indem sie darauf verzichten, den staatsfeindlichen "Steuerzahlergedenktag" publizistisch zu unterstützen. Ein gesundes Verhältnis der Bürger zu ihrem Staat ist nur zu erreichen, wenn sie ihn nicht als Feind sehen, sondern vielmehr als ihren wichtigsten Anwalt in einem immer schwerer überschaubaren globalen Umfeld.



Die Gefahr ist groß, dass es am Ende der Krise sehr viel mehr Arbeitslose und einen deutlich höheren öffentlichen Schuldenstand als heute geben wird. Es ist leicht zu prognostizieren, dass dann die aus den Jahren 2002 bis 2005 bekannten Rezepte wieder an die Oberfläche gespült werden: Lohnzurückhaltung durch Einschränkungen bei der Tarifautonomie, Abbau des Kündigungsschutzes, geringere Leistungen für Arbeitslose und Bezieher von Arbeitslosengeld II, Einsparungen beim Leistungskatalog der Krankenversicherung, Sparprogramme bei den öffentlichen Haushalten, die vor allem die Zukunftsausgaben treffen und Steuersenkungen für die Unternehmen. Es ist zu befürchten, dass der alte Kurs mindestens ebenso konsequent fortgesetzt wird wie vor der Krise.



Für die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft wäre dies ebenso gefährlich wie für die Demokratie. Die Marktwirtschaft kann sich auf Dauer nur dann behaupten, wenn sie für die Mehrzahl der Menschen eine spürbare Verbesserung der Lebensverhältnisse ermöglicht. Dies wird nicht gelingen ohne einen starken Staat, der durch hohe Zukunftsinvestitionen und robuste soziale Leitplanken dafür sorgt dass auch die Interessen der zukünftigen Generationen wie auch der weniger leistungsfähigen Menschen Berücksichtigung finden. Die Finanzkrise mutet heute Arbeitnehmern und Unternehmern weltweit schmerzhafte Anpassungen zu. Wenn es gelänge, als Lehre aus der Krise eine generell bessere Balance von Staat und Markt zu erreichen, wären diese Einschränkungen nicht ganz umsonst gewesen.
 
OP
I

Iphigenie

Nun ja, generell schon, nur... wie soll man das organisieren.
Ich halte das zwar für eine Utopie, aber eine erstrebenswerte.

In Star Trek wird dieses Thema gestreift. Dort gibt es kein Geld innerhalb der Erdbevölkerung. Leider gehen Sie nicht darauf ein wie das funktionieren soll.
Jaja, eine Utopie; gewiß doch!. Zudem kann es sich kaum ein
Zeitgenosse vorstellen,wie das funktionieren sollte....
Ich habe oft den Eindruck, daß viele Menschen das Geld als
etwas so ungeheuer stark mit unserem Geist und Körper
Verwobenes ansehen, als wäre es ein (biologisches) Organ,
welches zu unserem Körper gehöre, wie Herz, Milz, Niere usw....
solch eine Sehweise grenzt für mich an schlechte Esoterik.

Was es aber gibt ist die Humanwirtschaft, mit Freigeld nach Gsell.
Ein Geld, welches generell so aufgebaut ist, wie das jetzige.
Es hat nur einen Unterschied. Die Umlaufgebühr. Durch diese Gebühr
auf gehaltenes Geld werden Zinsen neutralisiert und die negativen
Effeckte der jetzigen Zins-Wirtschaft würden verschwinden.
Dadurch würde nachhaltiges Wirtschaften erst Sinn ergeben.
Auch die Umverteilung von der Arbeit zum Kapital würde enden.
Steuern könnten gesenkt oder sogar abgeschafft werden.
Ein wahres Schlaraffenland, gegenüber dem jetzigen Desaster.

Mit dem Freigeld habe ich mich nur am Rande befasst. Ich konnte
und wollte da auch aus zeitlichen Gründen nicht tiefer einsteigen;
hatte aber schnell das Gefühl, daß es höchstens dazu angetan ist
(- das Freigeld - ), den Kapitalismus etwas zu verwässern.

Vielleicht sollten wir ernsthaft damit anfangen den Mythos des
Geldes zu entziffern, daß heißt das Geld zu entlarven, als das,
was es v i e l l e i c h t ist: Ein Werkzeug, mittells dem
es machtgierigen Menschen immer wieder von neuem geligt,
die Macht des Menschen über den Menschen manifest zu machen
und in alle Ewigkeit fortzuschreiben....

grüße
Iphi:)
 
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Frankfurter Rundschau online vom 9.April 2009

"Renaissance des Staates"

Neue Balance von Staat und Markt

VON PETER BOFINGER




Wirtschaftskreislauf (Bild: FR-Infografik)

Mit der globalen Finanzkrise ist ein scheinbar kaum zu bremsender Siegszug des Marktes jäh gestoppt worden. Er hatte Anfang der achtziger Jahre mit Margaret Thatcher und Ronald Reagan begonnen...

Bofinger "vergisst" dabei, dass der "Siegeszug des Marktes" unter Thatcher und Reagan mit einer brutalen Weltrezession begann, deren Ausmaß die derzeitige Wirtschaftskrise noch lange nicht erreicht hat.

Es waren gerade diese Weltrezession und die Schuldenkrise in den 80er Jahren, die dem Neoliberalismus zum Durchbruch verholfen hatten. Die Massenmedien und die Politik wurden vom großen Geld mit der Krise gleichgeschaltet. Wer gegen die mit dem Neoliberalismus propagierten Interessen war, flog aus den Medien und aus der Politik und gerade die Krise war das Instrument, um jeden Widerstand in der Bevölkerung zu brechen. Man denke an die letzten Streiks der Bergarbeiter in England.

Verstehe nicht, wie Bofinger so leichtfertig hoffen kann, dass mit der Finanzkrise der Neoliberalismus wirklich gescheitert sei. Das kann noch ein böses Erwachen geben.

Die große Krise war immer das Instrument, um die Kapitalinteressen durchzusetzen und jeden Widerstand zu brechen und etwa auch die Subsistenzwirtschaft zu erledigen und die bedingungslose Unterwerfung der Arbeiter auf Jahrzehnte zu realisieren.

Die Große Depression hat in den 30er Jahren erst das Industrieproletariat geschaffen, mit dem dann in den 40er, 50er und 60er Jahren gearbeitet wurde.
 
OP
I

Iphigenie

Verstehe nicht, wie Bofinger so leichtfertig hoffen kann, dass mit der Finanzkrise der Neoliberalismus wirklich gescheitert sei. Das kann noch ein böses Erwachen geben.

.

Wieso verstehst Du das nicht?:traurig:
Erstens hab ich geschrieben
eine recht gute Analyse des augenblicklichen Zustandes
in unserem Lande. Von einem [COLOR="Red"]staatstragenden [/COLOR]Wirtschaftsweisen
und Diplomvolkswirt.
Und zweitens wurde er zum Wirtschaftsweisen berufen. Würdest Du diesen gutdotierten Job verlieren wollen? :giggle:

grüße
Iphi:happy:
 

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