Ratlos in Wilmersdorf
So voll wie an diesem Freitagabend war die Synagoge in der Münsterschen Straße in Berlin-Wilmersdorf lange nicht mehr. Alle Plätze sind besetzt, im Eingang zum Betsaal stehen die Besucher dicht an dicht, wie in einer U-Bahn zur Rushhour. Dabei sind die Juden eindeutig in der Unterzahl. Die Nichtjuden erkennt man daran, dass sie weiße Kippot tragen, die am Eingang verteilt werden. Ungewöhnlich ist auch, dass Frauen und Männer zusammensitzen, die in den meisten Synagogen übliche Geschlechtertrennung wurde anlasshalber aufgehoben.
Die Lubawitscher Gemeinde hat zu einem „Solidaritätsgebet“ eingeladen. Vor genau zwei Wochen wurde Rabbiner Yehuda Teichtal auf dem Weg von der Synagoge in sein Haus „antisemitisch beschimpft“ und bespuckt. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen. Nun will man „mit Licht auf die Dunkelheit antworten“, so steht es auf der Einladung zu dem „Solidaritätsgebet“.
Maas: „Die Hemmschwellen sinken“
„Ein geduldiger Mensch ist einer, der viel erträgt, der mutig ist.“ Und es sei kein Zufall, dass das hebräische Wort für Toleranz „Sovlanut“ dem Wort für Geduld „Savlanut“ so ähnlich ist. Es scheint, als habe Heiko Maas einen Hebräisch-Kurs belegt, was durchaus einer alten Tradition im Auswärtigen Amt entspräche. Ansonsten sagt er das, was er immer sagt, ohne sich ins allzu Konkrete zu verlaufen.
„Wir stehen heute an Ihrer Seite und nicht nur heute, daran wird sich auch in der Zukunft nichts ändern (...) Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Es macht viele Menschen in dieser Stadt und diesem Land wütend, dass Jüdinnen und Juden beschimpft und bespuckt werden (...) Das Klima hat sich in unserem Land verändert, die Hemmschwellen sinken immer weiter und den Worten folgen Taten (...) Antisemitismus ist nicht über Nacht entstanden. Wir müssen beherzt dagegen halten (...)Antisemitismus bleibt Antisemitismus (...) Wir dürfen nicht sprachlos bleiben (...) Der Holocaust hatte Täter und viele Gleichgültige. Das sollten wir aus unserer Geschichte gelernt haben, dass wir nie wieder gleichgültig sein dürfen. Wir müssen alle in den Dialog treten, weil wir eine Gesellschaft sind. Schalom.“
Nach dem Außenminister spricht Gideon Joffe, der langjährige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Er habe Heiko Maas „immer aus der Ferne geschätzt“, seitdem er aber erlebt habe, wie Heiko Maas in Tel Aviv „bei über 30 Grad morgens ein Triathlon-Training am Strand“ absolviert habe, bewundere er ihn. Das sei eine „unglaubliche Leistung“ gewesen, „Triathleten brauchen eine sehr gute Kondition, und beim Kampf gegen Antisemitismus brauchen wir Menschen mit einer sehr guten Kondition.“ Deswegen sei man „glücklich, einen Partner wie den Bundesaußenminister an unserer Seite zu haben“.
Nach diesem Intro findet Joffe doch noch ein paar „deutliche Worte“ für die aktuelle Situation.
„Wir haben ein jüdisches Gymnasium in Berlin mit 400 Schülern. 240 von ihnen sind jüdisch, von diesen ist jeder dritte von einer öffentlichen Schule weggemobbt worden, aus einem einzigen Grund… Ein wenig überspitzt könnte man sagen, unser Gymnasium ist voller jüdischer Flüchtlinge, im Jahre 2019 hier in Berlin.“
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Der Heiko, wird seine Vergangenheit nicht los