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Schulz: Herzlich willkommen hier bei uns zum Interview der Woche. Wenn der bayrische Ministerpräsident jetzt sagt über die geplanten Zurückweisungen, jetzt werde geltendes Recht wieder angewendet, ist das nicht aus Sicht eines Juraprofessors, sind das nicht ganz wunderbare Nachrichten?
Thym: Ja, das scheint man in der Tat zu denken, aber leider hat Horst Seehofer nach meiner Überzeugung in diesem Fall nicht Recht, denn an der deutschen Grenze gelten seit vielen Jahren die Dublin-Regeln. Und die Dublin-Regeln sehen vor, dass man ein Asylverfahren durchführen muss, das dann in der Überstellung in einen anderen Staat münden kann, aber eine einfache Zurückweisung erlauben sie nicht.
"Europarecht besitzt in Deutschland Anwendungsvorrang"
Schulz: Aber wir haben den Artikel 16a Grundgesetz, der sagt, dass eben nicht politisches Asyl genießt, wer aus einem EU-Land einreist. Was ist das große Problem an diesen Zurückweisungen?
Thym: Da haben Sie vollkommen Recht. Wir haben den Artikel 16 Absatz a, nur dieser Artikel 16 Absatz a wird heute durch europäisches Recht überlagert. Und das ergibt sich zum einen aus dem Grundgesetz selbst, denn der Artikel 16 Absatz a sagt in seinem letzten Absatz, Absatz Nummer fünf, dass die deutschen Regeln hinter europäische Regeln zurücktreten und das bestätigte auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aus dem Jahr 1996. Hinzu kommt, dass wir die europäischen Regeln seit 2003 in sogenannten Verordnungen niedergelegt haben im Rahmen der Europäischen Union. Europarecht besitzt in Deutschland Anwendungsvorrang. (....)