Ich fange mal mit unserem Grundgesetz an.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
https://www.bverwg.de/pm/2017/11
Urteil vom 02. März 2017 - BVerwG 3 C 19.15
Zugang zu einem Betäubungsmittel, das eine schmerzlose Selbsttötung ermöglicht,
darf in extremen Ausnahmesituationen nicht verwehrt werden
Und für mich erfüllt dieses Urteil diesen Grundsatz der sonst bei allen möglichen Themen immer sehr hoch gehangen wird,
nur bei dem Thema Sterbehilfe nicht. Eigentlich ist es ja keine Sterbehilfe sondern man entscheidet selbst, wenn man sein
Dasein nicht mehr lebenswert empfindet auf Grund von gesundheitlichen Einschränkungen, Leiden und Schmerzen.
Und was ist, dieses Urteil wird verhindert, weil meiner Meinung nach christliche Ansichten mehr gewichten als Urteile
von deutschen Richtern. Das Gesetz was zur Ablehnung der Rausgabe des Medikamentes führt ist für mich vorgeschoben,
denn wenn man will kann man das jederzeit ändern. Die Mehrheit der Regierung will aber bisher nicht.
https://daserste.ndr.de/panorama/ar...t-vom-Minister-verhindert,sterbehilfe272.html
Ich durfte mein Haustier erlösen lassen als fest stand das es unheilbar ist, aber ein Mensch muß bis zum bitteren Ende leiden,
ist das für Euch menschenwürdig ?
Hallo Iles9,
ein sehr, sehr heikles Thema... Ich denke nicht, daß man sich ihm von irgendeiner politischen Seite aus nähern sollte (von wegen "Pharmalobby" u.ä.).
Das, worüber Du sprichst, ist in der Tat nicht Sterbehilfe (die müßte ggf. ein Dritter vornehmen), sondern ein selbstbestimmter Freitod, den ausüben zu dürfen - unter Bereitstellung der notwendigen Mittel - Befürworter zu einem Grundrecht erklärt haben wollen.
Selbstmord ist nicht strafbar. Das klingt natürlich zunächst absurd, denn wenn der Suizid gelingt, ist Strafe eh nicht mehr vonnöten. Auch der mißlungene Versuch ist nicht strafbar. Strafbar ist jedoch, wenn ein Dritter einen Suizidversuch als solchen erkennt und NICHT handelt, um ihn zu verhindern. D.h.: grundsätzlich ist derjenige, der sein Leben - aus welchen Gründen auch immer!!! - beenden will, von jeder Form der Sanktion ausgeschlossen, in der Pflicht ist immer derjenige, der die Ausübung des Suizids verhindern könnte. Läßt er ihn dennoch geschehen, so hat er sich schuldig gemacht, weil er ein Leben nicht gerettet hat, welches er hätte retten können und müssen.
Ich halte das grundsätzlich für richtig. Wer einen Teenager vor sich hat, der offensichtlich dabei ist, sich vor einen Zug zu werfen und nicht alles ihm Mögliche unternimmt, um diese Tat zu verhindern, der handelt unmenschlich, unverantwortlich und hat das Leben eines anderen Menschen auf dem Gewissen.
Nun geht es Dir ja nicht um banalen Selbstmord, sondern um die Forderung eines Todkranken, Zugriff auf das erforderliche Werkzeug zu erhalten, das ihm ein möglichst schnelles und schmerzloses Ende seines Lebens ermöglicht, zu exakt dem Zeitpunkt, den der Kranke für den richtigen hält. Das scheint zunächst human... Aber ist es das tatsächlich? Ist es human, von anderen zu fordern, sie mögen einem das Werkzeug für den eigenen Tod beschaffen? Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn ich jemanden dazu nötigte, mir die Mittel für meinen Selbstmord zu beschaffen. Erst recht dann, wenn derjenige per Gesetz dazu gezwungen würde, mir den Selbstmord zu ermöglichen. Egal, ob ich selbst unbedingt sterben möchte oder nicht und egal, ob mein Selbstmord nur meinem natürlichen Ende ein klein wenig zuvorkäme: derjenige, der mir den Strick reicht, ist immer auch derjenige, der dafür gesorgt hat, daß ich zu diesem Zeitpunkt und auf diese Weise sterbe. Der also meinen Tod herbeigeführt hat.
Ich lade damit einem anderen eine enorme Verantwortung auf. Eine, mit der er Zeit seines Lebens wird umgehen müssen. Dazu gesetzlich verpflichtet zu sein, scheint mir inhuman.
Ich könnte mir vorstellen, eine Gesetzeslage zu schaffen, in der der Helfer zum Selbstmord straffrei bleibt; ich denke, daß er seine Strafe ohnehin verbüßt, einfach weil er weiß, daß er den Tod eines Menschen zu verantworten hat (und da spielt es eben KEINE Rolle, ob derjenige ohnehin wenig später, womöglich unter größeren Qualen, gestorben wäre). Aber einen gesetzlichen Anspruch auf Beihilfe zum Selbstmord - z.B. durch Anspruch auf die Herausgabe von Medikamenten - zu schaffen heißt nichts anderes, als diejenigen, die diese Medikamente zur Verfügung stellen, zum Mord auf Bestellung zu verpflichten. Ich möchte in dieser Situation weder Arzt noch Apotheker sein.
Wenn man das zur freien Gewissensentscheidung des Helfers macht, ist es in Ordnung - aber eine Verpflichtung, dem Todeswunsch eines Menschen zu entsprechen , die DARF es meines Erachtens nicht geben. Und zwar aus Rücksicht auf diejenigen, die diesen Wunsch ausüben müßten.
Ich habe auch eine ganze Reihe von Haustieren erlösen lassen, auf unterschiedlichste Art und Weise, 12, um genau zu sein. Ich war froh, daß ich es konnte und habe jedes einzelne von ihnen bis zu seinem letztem Atemzug begleitet (d.h.: ich habe keines vo ihnen allein gehen lassen, ich war immer bei ihnen). Ich habe jedes einzelne dieser Tiere geliebt und war für jedes einzelne dieser Tiere verantwortlich - ich habe diese Verantwortung FREIWILLIG übernommen, als ich sie mir angeschafft habe. In jedem einzelnen Fall war das Gefühl ausschlaggebend, daß ich dem Tier unnötiges Siechtum ersparen konnte und auch MUSSTE. ABER: JEDES dieser Tiere wäre unter natürlichen Umständen - also: in freier Wildbahn - schon lange zuvor gestorben, weil es nicht überlebensfähig war. Aus Alterschwäche, zum Beispiel. Weil es vor Fraßfeinden schon lange nicht mehr hätte fliehen können. Oder weil es schon lange verhungert wäre, wenn ich es nicht mit Nahrung versorgt hätte, die auch ein schon längst verfallener Zahnapparat hätte aufschließen können. Ich bin mir, aus dieser Erfahrung heraus, auch 100-prozentig sicher, daß auch Tiere ein Bewußtsein für Leben und Tod haben. Daß sie wissen, wann ihre Stunde gekommen ist und daß der Mensch, dem sie vertraut haben und bis zum letzten Augenblick vertrauen, diese Stunde festgesetzt hat.
ABER: es ist dennoch DER MENSCH, der als einzige Spezies fast sein ganzes Leben lang WEISS, daß sein Leben mit dem Tod enden wird. Und genau deshalb, denke ich, darf er an sich selbst nicht denselben Maßstab anlegen wie an seine Haustiere... Selbstverständlich kann der Tod auch für einen Menschen eine Erlösung sein. Aber - und das ist einfach meine tiefste und innerste Überzeugung, die weit über jede Argumentation eines Für und Wider hinausgeht - es ist gerade seine Sonderstellung im Hinblick auf das Bewußtsein der Endlichkeit des Lebens, die es dem Menschen verwehrt, den bequemen Weg zu gehen oder das Recht für sich zu beanspruchen, das er seinen Tieren einräumt. Es ist der Mensch, der sein ganzes Leben lang SELBST die Verantwortung für sich tragen muß, genau DAS unterscheidet ihn vom Tier.
Das verwehrt ihm, aus meiner Sicht, den Anspruch auf ein verkürztes Leiden. Es ist vielmehr seine Pflicht, das Leben bis zuletzt zu ertragen. Eigentlich ein billiger Zoll für die Privilegen, die ihm daraus erwachsen?
Gruß -
Bendert