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Hallo PSWler!
Beim Stöbern in alten Texten habe ich eine Polemik wiederentdeckt, die ich mal vor 5 Jahren geschrieben habe. Da ich sie nach wie vor für richtig halte, will ich sie Euch zugänglich machen. Mal gucken, was Ihr dazu meint. Ich werde aber nicht diskutieren, denn alles, was ich zu dem Thema zu sagen habe, steht im Text, der deshalb auch länger ist, als ich es normalerweise mache. Also los:
Dies ist eine Polemik.
Sie richtet sich gegen pseudoreligiöse Natur-Anbeter, die zunehmend moralisierend und missionierend im Bereich der öffentlichen Meinungsbildung unterwegs sind - und mir damit immer mehr auf den Nerv gehen. Also geht es im folgenden Text weitgehend ohne „sowohl als auch“ oder „ja, aber“ zu. Der Leser sei gewarnt.
Zentrale These dieser Polemik ist, dass die „Natur“ der Feind des Menschen ist und immer war - und dass es daher grundsätzlich falsch ist, jene „Natur“ anzuhimmeln oder gar mit ihr "im Einklang leben" zu wollen.
Im vorliegenden Zusammenhang benutze ich den Begriff „Natur“ wie folgt:
Bezogen auf die Menschheit wird die gesamte (Um)welt außerhalb unserer technologisierten Sphären als „Natur“ angesprochen (so verwenden den Begriff auch die Natur-Anbeter).
Innerhalb der Biosphäre ist „Natur“ alles Andere außerhalb des lebenden Individuums, das sich damit auseinandersetzen muss, weil es darin zu existieren gezwungen ist.
Um meine These zu begründen, will ich weit unten in der biosphärischen Hierarchie beginnen.
Seit der Entstehung des Lebens hat dieses eine stetig wachsende Unabhängigkeit von der Umgebung (also von dem, was ich hier als „Natur“ bezeichne) erzielt. Das bedeutet, dass die Lebewesen, je höher sie sich entwickelt hatten, immer mehr Freiräume für sich gewonnen haben, in denen sie nicht der Nahrung nachjagen, ihre Fortpflanzung sichern, sich vor Vernichtung schützen mussten etc..
Sie haben es später auch geschafft, sich sehr weitgehend von der Außentemperatur unabhängig zu machen (Warmblüter).
Dadurch gewannen sie mehr Wahlfreiheit der Lebensumgebung und der zum aktiven Leben geeigneten Umweltbedingungen.
Durch zunehmende Entwicklung der Sinnesorgane (und parallel: der Gehirne) gewannen die Lebewesen mehr und mehr an „Vorwarnzeit“ gegenüber schnellen Umweltveränderungen (z.B. auftauchenden Feinden). Dies war gleichbedeutend mit einem wesentlichen Fortschritt zur Erreichung weiterer Unabhängigkeit von der „Natur“.
Schließlich erschienen die Menschen mit ihrem „antizipierenden“ Großhirn, ihrem Häuser-, Werkzeug- und Waffenbau, ihrer Landwirtschaft und späteren Wissenschaft/Technologie. Sie haben es so geschafft, eine nie da gewesene Unabhängigkeit von der „Natur“ zu erreichen.
Dass dies möglich wurde, verdankt die Menschheit pikanterweise dem stetig vertieften Studium der Naturgesetze, folgte also dem Motto: "Know your enemy!" Die Gesetze des Feindes wurden verwendet, um denselben fernzuhalten. Das ist ein schönes Beispiel für Dialektik, wie sie der alte Friedrich Engels verstand.
Der beschriebene Gang der Evolution zeigt es klar: Die „Natur“ ist allen Lebewesen ein ständiger Feind, vor dem es sich zu schützen gilt, dem das Individuum möglichst weit entkommen sollte.
Dass andererseits immer wieder der Zwang da ist (war), sich zu dem („in den“) Feind zu begeben, um die notwendige Nahrung zu beschaffen, macht(e ) das Dasein stets hart, bedrohlich, voller Mangel - und kein bisschen idyllisch.
Insbesondere die Menschen haben immer alles daran gesetzt, dem Einfluss der „Natur“ weiter und weiter zu entrinnen - verbunden mit dem stetigen Bemühen, vor allem die eigene Nahrungsbasis unter Kontrolle zu bekommen.
Vor diesem Hintergrund sehe ich unsere gesamte „Technosphäre“ als etwas grundlegend Gutes an:
Als den besten Panzer gegen die Unbilden der „Natur“, der je existiert hat. Dieser Panzer ist ja nicht nur Schutz. Er gibt zugleich Nahrung, Gesundheit, Geborgenheit, Kultur(!) - auch wenn er seine Schattenseiten hat. Letztere aber hat vor allem die „Natur“ in Gestalt evolutionär entstandener menschlicher Eigenschaften darin hinterlassen...
Man kann somit letztlich sagen, die Evolution habe ihren höchstentwickelten Teilnehmern mehr und mehr Beherrschung immer größerer Teile ihrer Umgebung verschafft, was diese immer besser vor den unwägbaren Schlägen des Feindes „Natur“ schützt(e).
Nun frage ich:
Ist diese ständige Schaffung von mehr Unabhängigkeit gegenüber der „Natur“ durch den Menschen nicht eine HÖHERentwicklung? Ist es nicht wunderbar, dass wir das geschafft haben, und dass es uns besonders in den letzten Jahrzehnten - durch Technologie - besser geht, als es uns (und jedem Lebewesen dieser Erde) jemals gegangen ist? Ist es nicht phantastisch, dass wir der „Natur“ - unserem uralten Feind, dem man alles zum Leben Notwendige mühsam ENTREISSEN muss - sehr weitgehend entwischt sind?
Ist es daher nicht vollkommen idiotisch, jetzt, wo wir dieser unberechenbaren „Natur“ endlich entkommen sind, umherzujammern, dass wir nicht mehr "im Einklang" mit ihr leben? Und dass wir SCHULD UND SCHLECHT sind, weil wir uns von ihr in so hohem Maße entkoppelt haben?
Sollen wir uns dem alten Feind etwa freiwillig wieder ausliefern?
Ist es nicht vollkommen idiotisch, wenn sich manche Zivilisationskinder plötzlich (natürlich in GORETEX-Klamotten!) einsam und zu Fuß in die Wildnis (äääh... zur Mutter „Natur“) begeben, um „ihre Grenzen zu erfahren“, oder ähnlichen Blödsinn?
Nun wäre mir ja letzteres ganz egal (Privatsache), würde es nur jene einsamen Trottel betreffen, die dann eben, wenn sie ihr komisches Hobby konsequent betreiben, folgerichtig verhungern oder erfrieren (wie es schon vorgekommen ist).
Aber nein:
Sie (komischerweise aber auch manche eingefleischten Stubenhocker) kommen ja auch noch als Apostel einer in der Einsamkeit erdachten romantischen „Natur“-Moral (Pseudo-Religion) daher, die ab sofort jeder befolgen soll, der bisher in einem klimatisierten Steinhaus wohnt, ein Auto fährt, sein Fleisch*) im Supermarkt kauft und sich vor Wetterunbilden lieber in der Wohnung verbirgt (eine Reaktion, die jedes vernünftige Lebewesen selbstverständlich zeigen würde, hätte es eine Wohnung).
Der städtische Zivilisationsbürger aber wird von jenen Moralisten regelrecht zum Naturfrevler, zur Pest des Planeten erklärt - und dieser Bürger, der EIGENTLICH meist gerne in seiner Zivilisation lebt, fängt nun häufig an zu grübeln:
"Wäre es nicht doch das ECHTERE Leben, so ÖKO auf der Südsee-Insel, in der Palmenhütte mit den hübschen, stets strahlend lächelnden Inselmädchen...? Oder Afrika, hachch, AAAAFRIKA!" Und dann kriegen wir aus allen Medien-Ecken diesen ganzen Quark erzählt, der inzwischen leider Mainstream ist: Vom ursprünglichen Leben im Einklang mit der „Natur“, wie es die edlen Wilden tun...
Ich gebe zu bedenken, dass ein vereiterter Zahn oder eine infizierte Wunde bei denen oft den Tod bedeuten.
Und sie kommen VIEL häufiger durch zwischenmenschliche Gewalt um, als unsereins - diese edlen Wilden.
Fazit:
Es gibt für uns nichts Richtigeres, als uns von der „Natur“ soweit wie möglich und immer weiter zu entfernen.
Es gibt nichts Falscheres, als "im Einklang" mit dieser (am liebsten „unberührt" imaginierten) „Natur“ leben zu wollen.
Womit ich nichts gegen eine schöne Bergwanderung - mit Bergwacht, gemütlichem Hüttenzimmer und ordentlicher Jause danach! - gesagt haben will.
*) Ironischerweise ist es meiner Erfahrung nach gar nicht selten, dass Naturromantiker, die den "Einklang..." predigen, zugleich Vegetarier oder Veganer sind.
Wieder ab ins OFF,
Zweifler
Beim Stöbern in alten Texten habe ich eine Polemik wiederentdeckt, die ich mal vor 5 Jahren geschrieben habe. Da ich sie nach wie vor für richtig halte, will ich sie Euch zugänglich machen. Mal gucken, was Ihr dazu meint. Ich werde aber nicht diskutieren, denn alles, was ich zu dem Thema zu sagen habe, steht im Text, der deshalb auch länger ist, als ich es normalerweise mache. Also los:
Dies ist eine Polemik.
Sie richtet sich gegen pseudoreligiöse Natur-Anbeter, die zunehmend moralisierend und missionierend im Bereich der öffentlichen Meinungsbildung unterwegs sind - und mir damit immer mehr auf den Nerv gehen. Also geht es im folgenden Text weitgehend ohne „sowohl als auch“ oder „ja, aber“ zu. Der Leser sei gewarnt.
Zentrale These dieser Polemik ist, dass die „Natur“ der Feind des Menschen ist und immer war - und dass es daher grundsätzlich falsch ist, jene „Natur“ anzuhimmeln oder gar mit ihr "im Einklang leben" zu wollen.
Im vorliegenden Zusammenhang benutze ich den Begriff „Natur“ wie folgt:
Bezogen auf die Menschheit wird die gesamte (Um)welt außerhalb unserer technologisierten Sphären als „Natur“ angesprochen (so verwenden den Begriff auch die Natur-Anbeter).
Innerhalb der Biosphäre ist „Natur“ alles Andere außerhalb des lebenden Individuums, das sich damit auseinandersetzen muss, weil es darin zu existieren gezwungen ist.
Um meine These zu begründen, will ich weit unten in der biosphärischen Hierarchie beginnen.
Seit der Entstehung des Lebens hat dieses eine stetig wachsende Unabhängigkeit von der Umgebung (also von dem, was ich hier als „Natur“ bezeichne) erzielt. Das bedeutet, dass die Lebewesen, je höher sie sich entwickelt hatten, immer mehr Freiräume für sich gewonnen haben, in denen sie nicht der Nahrung nachjagen, ihre Fortpflanzung sichern, sich vor Vernichtung schützen mussten etc..
Sie haben es später auch geschafft, sich sehr weitgehend von der Außentemperatur unabhängig zu machen (Warmblüter).
Dadurch gewannen sie mehr Wahlfreiheit der Lebensumgebung und der zum aktiven Leben geeigneten Umweltbedingungen.
Durch zunehmende Entwicklung der Sinnesorgane (und parallel: der Gehirne) gewannen die Lebewesen mehr und mehr an „Vorwarnzeit“ gegenüber schnellen Umweltveränderungen (z.B. auftauchenden Feinden). Dies war gleichbedeutend mit einem wesentlichen Fortschritt zur Erreichung weiterer Unabhängigkeit von der „Natur“.
Schließlich erschienen die Menschen mit ihrem „antizipierenden“ Großhirn, ihrem Häuser-, Werkzeug- und Waffenbau, ihrer Landwirtschaft und späteren Wissenschaft/Technologie. Sie haben es so geschafft, eine nie da gewesene Unabhängigkeit von der „Natur“ zu erreichen.
Dass dies möglich wurde, verdankt die Menschheit pikanterweise dem stetig vertieften Studium der Naturgesetze, folgte also dem Motto: "Know your enemy!" Die Gesetze des Feindes wurden verwendet, um denselben fernzuhalten. Das ist ein schönes Beispiel für Dialektik, wie sie der alte Friedrich Engels verstand.
Der beschriebene Gang der Evolution zeigt es klar: Die „Natur“ ist allen Lebewesen ein ständiger Feind, vor dem es sich zu schützen gilt, dem das Individuum möglichst weit entkommen sollte.
Dass andererseits immer wieder der Zwang da ist (war), sich zu dem („in den“) Feind zu begeben, um die notwendige Nahrung zu beschaffen, macht(e ) das Dasein stets hart, bedrohlich, voller Mangel - und kein bisschen idyllisch.
Insbesondere die Menschen haben immer alles daran gesetzt, dem Einfluss der „Natur“ weiter und weiter zu entrinnen - verbunden mit dem stetigen Bemühen, vor allem die eigene Nahrungsbasis unter Kontrolle zu bekommen.
Vor diesem Hintergrund sehe ich unsere gesamte „Technosphäre“ als etwas grundlegend Gutes an:
Als den besten Panzer gegen die Unbilden der „Natur“, der je existiert hat. Dieser Panzer ist ja nicht nur Schutz. Er gibt zugleich Nahrung, Gesundheit, Geborgenheit, Kultur(!) - auch wenn er seine Schattenseiten hat. Letztere aber hat vor allem die „Natur“ in Gestalt evolutionär entstandener menschlicher Eigenschaften darin hinterlassen...
Man kann somit letztlich sagen, die Evolution habe ihren höchstentwickelten Teilnehmern mehr und mehr Beherrschung immer größerer Teile ihrer Umgebung verschafft, was diese immer besser vor den unwägbaren Schlägen des Feindes „Natur“ schützt(e).
Nun frage ich:
Ist diese ständige Schaffung von mehr Unabhängigkeit gegenüber der „Natur“ durch den Menschen nicht eine HÖHERentwicklung? Ist es nicht wunderbar, dass wir das geschafft haben, und dass es uns besonders in den letzten Jahrzehnten - durch Technologie - besser geht, als es uns (und jedem Lebewesen dieser Erde) jemals gegangen ist? Ist es nicht phantastisch, dass wir der „Natur“ - unserem uralten Feind, dem man alles zum Leben Notwendige mühsam ENTREISSEN muss - sehr weitgehend entwischt sind?
Ist es daher nicht vollkommen idiotisch, jetzt, wo wir dieser unberechenbaren „Natur“ endlich entkommen sind, umherzujammern, dass wir nicht mehr "im Einklang" mit ihr leben? Und dass wir SCHULD UND SCHLECHT sind, weil wir uns von ihr in so hohem Maße entkoppelt haben?
Sollen wir uns dem alten Feind etwa freiwillig wieder ausliefern?
Ist es nicht vollkommen idiotisch, wenn sich manche Zivilisationskinder plötzlich (natürlich in GORETEX-Klamotten!) einsam und zu Fuß in die Wildnis (äääh... zur Mutter „Natur“) begeben, um „ihre Grenzen zu erfahren“, oder ähnlichen Blödsinn?
Nun wäre mir ja letzteres ganz egal (Privatsache), würde es nur jene einsamen Trottel betreffen, die dann eben, wenn sie ihr komisches Hobby konsequent betreiben, folgerichtig verhungern oder erfrieren (wie es schon vorgekommen ist).
Aber nein:
Sie (komischerweise aber auch manche eingefleischten Stubenhocker) kommen ja auch noch als Apostel einer in der Einsamkeit erdachten romantischen „Natur“-Moral (Pseudo-Religion) daher, die ab sofort jeder befolgen soll, der bisher in einem klimatisierten Steinhaus wohnt, ein Auto fährt, sein Fleisch*) im Supermarkt kauft und sich vor Wetterunbilden lieber in der Wohnung verbirgt (eine Reaktion, die jedes vernünftige Lebewesen selbstverständlich zeigen würde, hätte es eine Wohnung).
Der städtische Zivilisationsbürger aber wird von jenen Moralisten regelrecht zum Naturfrevler, zur Pest des Planeten erklärt - und dieser Bürger, der EIGENTLICH meist gerne in seiner Zivilisation lebt, fängt nun häufig an zu grübeln:
"Wäre es nicht doch das ECHTERE Leben, so ÖKO auf der Südsee-Insel, in der Palmenhütte mit den hübschen, stets strahlend lächelnden Inselmädchen...? Oder Afrika, hachch, AAAAFRIKA!" Und dann kriegen wir aus allen Medien-Ecken diesen ganzen Quark erzählt, der inzwischen leider Mainstream ist: Vom ursprünglichen Leben im Einklang mit der „Natur“, wie es die edlen Wilden tun...
Ich gebe zu bedenken, dass ein vereiterter Zahn oder eine infizierte Wunde bei denen oft den Tod bedeuten.
Und sie kommen VIEL häufiger durch zwischenmenschliche Gewalt um, als unsereins - diese edlen Wilden.
Fazit:
Es gibt für uns nichts Richtigeres, als uns von der „Natur“ soweit wie möglich und immer weiter zu entfernen.
Es gibt nichts Falscheres, als "im Einklang" mit dieser (am liebsten „unberührt" imaginierten) „Natur“ leben zu wollen.
Womit ich nichts gegen eine schöne Bergwanderung - mit Bergwacht, gemütlichem Hüttenzimmer und ordentlicher Jause danach! - gesagt haben will.
*) Ironischerweise ist es meiner Erfahrung nach gar nicht selten, dass Naturromantiker, die den "Einklang..." predigen, zugleich Vegetarier oder Veganer sind.
Wieder ab ins OFF,
Zweifler
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