Der Winke Onkel mischt sich auch wieder ein, der Verräter
Diese Anmaßung der AfD muss man zurückweisen“
WELT: Herr Gauck, die großen Themen der Friedlichen Revolution 1989 waren Freiheit und Einheit. Rückblickend stellt sich die Frage, ob es damals zu einem Missverständnis gekommen ist. Die Betonung lag auf deutscher Einheit. Aber was bedeutete das? Schon damals lebten im Westen Millionen von Einwanderern. Die kamen in dieser Erzählung eigentlich nicht vor.
Joachim Gauck: Da mögen Sie recht haben. Zu Beginn der Friedlichen Revolution ging es um Freiheit und Demokratie: Es ging um einen Dialog zwischen Ohnmächtigen und Machthabern.
Der Wunsch nach deutscher Einheit hat sich erst danach entwickelt, weil Teile der Protestbewegung glaubten, Freiheit, Menschenrechte und Demokratie seien so am sichersten zu erreichen. Dass ein Gesamtdeutschland ethnisch längst nicht mehr homogen deutsch sein würde – darüber haben wir 1989 gar nicht nachgedacht, weil uns die veränderte Situation in Westdeutschland gar nicht so bewusst war.
WELT: Aber die Frage der deutschen Einheit war durchaus umstritten in der Bürgerbewegung.
Gauck: Das stimmt. Manche schrieben Manifeste, am 4. November gab es die große Demonstration „Für unser Land“, bei der auch der ehemalige Chef der Stasi-Auslandsabteilung, Markus Wolf, und Gregor Gysi auftraten. Es war der Versuch, eine DDR-patriotische Demokratiebewegung zu begründen. Das ist damals misslungen. Viele Linke, im Osten wie auch im Westen, haben das bedauert. Sie hatten teilweise sehr romantische Vorstellungen von der DDR.
WELT: Sie nicht, nehme ich an.
Gauck: Nein.
Ich habe die Härte der Diktatur ja persönlich erlebt. Für eine reformierte DDR gab es weder einen ökonomischen noch einen politischen Spielraum. Ich war damals Sprecher des Neuen Forums in Rostock. Uns wurde schnell klar, dass die Volksmassen keine Lust auf reformsozialistische Experimente in der DDR hatten.
Die überwältigende Mehrheit der Bürger in der DDR hat in der Bundesrepublik ein taugliches, handfestes Antimodell erkannt. Sie wollten keine Debatten über einen dritten Weg, sondern wendeten sich der rheinischen Demokratie und dem rheinischen Kapitalismus zu.
Viele Intellektuelle, auch Freunde von mir, haben diese Einstellung missdeutet und deren Anhänger als Reaktionäre denunziert.
https://www.msn.com/de-de/nachricht...-man-zurückweisen“/ar-BBWsHtZ?ocid=spartandhp
Vom Denunzianten zum Verräter ist der Weg nicht weit.