„Erlebnis Vergewaltigung“:
Der Zynismus linker Sprachbereiniger
von Ramin Peymani
Veröffentlicht am 27.02.2017 von JouWatch
Wir leben in einer Zeit, in der die Umdeutung von Begriffen Hochkonjunktur hat. Ebenso rege wird an der Neu-schöpfung von Wörtern gearbeitet. Und bestimmte Formulierungen will man uns gleich ganz abgewöhnen. Dabei geht es vor allem darum, die Deutungshoheit im öffentlichen Diskurs zu erlangen und Macht auszuüben, die allerdings auf dem brüchigen Fundament einer scheinbaren moralischen Überlegenheit steht.
Seit geraumer Zeit wird unsere Sprache unter dem Deckmantel der vermeintlichen Antidiskriminierung von einer kleinen, aber lautstarken Schar penetranter Umerzieher kontrolliert. Sie agieren unter anderem vom sicheren Wachturm staatlich finanzierter Organisationen herab, die sich durch die Vorteile der Gemeinnützigkeit auf Kosten der Steuerzahler am Gemeinwohl vergehen. Gerne schieben die Umerzieher dabei auch mal mehr oder weniger unverdächtige Zeitgenossen vor, um ihre Botschaften zu verkünden und Objektivität vorzugaukeln. Eine dieser Gesinnungshelferinnen hat sich unlängst mit einer Forderung zu Wort gemeldet, die so absurd und menschen-verachtend ist, dass es einem zunächst die Sprache verschlägt. Mithu Sanyal, von der man nicht viel mehr wissen muss, als dass sie ihre Doktorarbeit über die „Kultur-geschichte des weiblichen Genitals“ geschrieben hat, macht sich nun daran, die Vergewaltigung neu zu erfinden. Vordergründig geht es ihr darum, den Opferbegriff zu vermeiden.
Wer Opfer von Vergewaltigungen zu „Erlebenden sexualisierter Gewalt“ erklärt, vergeht sich ein zweites Mal an den Gepeinigten
Die hierfür an den Haaren herbeigezogene Begründung klingt abenteuerlich: Das Wort „Opfer“ sei mit einer ganzen „Busladung von Vorstellungen“ verknüpft. Opfer würden nämlich als „wehrlos, passiv und ausgeliefert“ empfunden, ließ uns Sanyal kürzlich via „taz“ wissen. Viel lieber möchte sie das Erlebnis vergewaltigter Frauen in den Mittelpunkt stellen, die ja auch nach dem Erlebten immer noch „sie selbst“ seien – und eben keine Opfer. Verstehen muss man die Verbalakrobatik nicht, eines jedoch versteht jedes Kind: Wer wie die Kulturwissenschaftlerin Sanyal Opfer von Vergewaltigungen zu „Erlebenden sexualisierter Gewalt“ erklärt und damit die Vergewaltigung zum Event stilisiert, der vergeht sich ein zweites Mal an den Gepeinigten. Doch damit nicht genug: Sanyal versteigt sich zu der Behauptung, dass ihre Wortschöpfung den Betroffenen erst erlaube, das „Erlebte“ – nennen wir es ruhig
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weiterhin: die Vergewaltigung – aktiv zu bewerten. Die Formulierung lade dazu ein,
„über die Wahrnehmung der erlebenden Person nachzudenken“, schreibt die
Halbinderin. Sie meint damit hoffentlich nicht, dass dem Opfer die Vergewaltigung
vielleicht auch ein bisschen Spaß gemacht haben könnte. So oder so, ist die zynische
Wichtigtuerei der Feministin ein neuerlicher Gipfel der Geschmacklosigkeit linker
Debatten. Und sie ist ein weiterer Versuch der Mitglieder des Gesinnungskartells,
unverdächtige, aber ihnen nicht genehme Begriffe aus Teilen des öffentlichen
Diskurses zu verbannen.
Ausgerechnet der von den Linken auf alles und jeden ausgedehnte
Opferbegriff soll angeblich die Diskriminierung Vergewaltigter befördern
Wertfrei soll unsere Sprache nach den Vorstellungen der Sprachbereiniger werden.
Dabei gehört es zu ihrem Selbstverständnis, dass nur sie das Recht haben, das
Register wertfreier Begriffe anzulegen. Konsequent zu Ende gedacht, endet dieser
Weg bald in einer Sackgasse. Kommunikation lebt eben gerade davon, dass
Menschen ihre persönliche Wahrnehmung zum Ausdruck bringen. Sprache muss
wertend sein können und wertend sein dürfen. Wer Individualität den Vorzug vor
Gleichmacherei gibt, kommt nicht umhin dies festzustellen. Gerade die Verarbeitung
schlimmer Erlebnisse und misslicher Situationen verlangt nach einer wertenden
Sprache.
Es ist ein Treppenwitz, dass der ausgerechnet von den Linken auf alles und jeden
ausgedehnte Opferbegriff angeblich die Diskriminierung Vergewaltigter befördern soll.
Sanyal pocht auf das Grundrecht auf Selbstbestimmtheit, indem sie den Betroffenen
körperlicher Gewalt die Opferrolle abspricht. Umgekehrt erklären sie und ihre
Gesinnungsgenossen ständig Menschen zu Opfern, die zwar in Bedrängnis, aber eben
keine Opfer sind. Wer Heerscharen unverschuldet in Not Geratener erfindet, deren
angeblich einzige Rettung der allfürsorgende Staat ist, und gleichzeitig die
Machtlosigkeit negiert, die Opfer im Moment der Gewalt verspüren, ist zynisch und
realitätsfremd. Auf derlei intellektuelle Herzlosigkeiten empathieloser Feministinnen
können wir getrost verzichten.
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