Ein herzliches Hallo an alle Forenmitglieder!
Ich habe ein gewagtes Thema für euch. Ich behaupte, dass die Mathematik zu ungenau für die Erforschung der Natur ist. Meine Begründung dafür ist, dass in der Natur 1 + 1 nicht zwei ist. In der Natur gleicht nichts dem Anderen. Es gibt zig Milliarden Lebewesen und keines gleicht dem Anderen. Es gibt mittlerweile über sieben Milliarden Menschen und kein Mensch gleicht dem Anderen. Alles was die Natur hervorbringt ist nicht perfekt. Kein perfektes Dreieck, keine rechten Winkel, keine perfekten Kreise, keine perfekten Geraden u.s.w..
Die Natur an sich ist zwar im Gleichgewicht, aber innerhalb dieses Gleichgewichts herrscht das Chaos.
Was sagt ihr zu diesem Thema? Ich freue mich auf eure Beiträge.
LG
Alfred
Eine wirklich interessante Frage. Grundsätzlich ist aber erstmal auch in der Natur 1+1=2 wenn man die Zahlen im Sinne der einfachen Mengenlehre beschreibt.
Je nachdem, was man mit Hilfe der Mathematik aus der Natur heraus darstellen will, würde ich entgegenhalten, ist sie sehr wohl geeignet. Die Beschreibung von Populationen, Wachstumsraten (siehe Bedeutung der Eulerschen Zahl), Variationen in Merkmalen, Verhaltensvariablen oder Klangmuster der Stimmen sind mit statistischen Mitteln sehr gut erfassbar. Hier ist aber ja auch nicht der Zweck, jedes Individuum einer Population in seiner Einzigartigkeit zu verstehen sondern eine sehr große Menge an Informationen über eine Art oder ähnliches zugänglich zu machen. Ohne die Mathematik und ihr Gebiet der Statistik könnten wir uns kein Bild über die Zusammensetzung der Bevölkerung von Ländern oder die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Schädlingen machen.
Aber auch die Beschreibung des individuellen Aussehens oder der Gesetzmäßigkeit, nach der individuelles Aussehen entsteht, kann durch Mathematik beschrieben werden. Der Mathematiker Mandelbrot hat in den 1970ern Fraktale mit hohem Grad an Skaleninvarianz (auch Selbstähnlichkeit) beschrieben. Mit Hilfe dieser Fraktale und Anwendung in Iteration (ständige Wiederholung des gleichen Vorgangs) ist es möglich, Berge, Bäume, Schneeflocken, die Gefäßstruktur des Menschen und andere in der Natur vorkommenden Erscheinungen sehr beeindruckend in einer künstlichen digitalen Umwelt zu reproduzieren. Da diese Umwelten ausschließlich im Rahmen der ihnen definierten mathematischen Möglichkeiten funktionieren, ist die deskriptive Macht der Mathematik hier sehr deutlich.
Unser Wahrnehmungsapparat selbst ist ebenfalls das Produkt strenger mathematischer Regulation, die sich gut durch eine binäre Zahlenstruktur, nämlich Hemmung oder Aktivierung (also 0 und 1) darstellen lässt. Bei der visuellen Verarbeitung von Informationen im Gehirn wird das Signal in den Strängen weitergeleitet, die eine recht präzise messbare Potenzialgrenze überschreiten und damit zum Beispiel bewegungssensitive oder farbsensitive Teile des visuellen Cortex stimulieren.
Der hohe Passungsgrad mit dem sich natürliche Vorgänge wie das Sehen durch mathematische Modelle beschreiben lassen, ist ein weiteres starkes Argument für die Macht der Mathematik.
Es gibt noch weitere Beispiele, wenn auch etwas unkonventionell erscheinend, nämlich der Disney Film Frozen. Die Haare der Hauptfigur Elsa wurden mit Hilfe einer eigenen Physik-Engine animiert. Der Fall, die Bewegungen… der Haarpracht sind unglaublich realistisch und nicht mehr Produkt einzelner von Hand animierter Frames sondern purer Mathematik.
Zusammenfassend: Mathematik ist ein herausragendes Instrument zur Beschreibung der Natur und sie wird immer besser, je präziser der Mensch in der Lage ist, die Natur zu messen und je schneller seine Rechner werden.