„In deinem Nichts hoff ich das All zu finden“ schrieb Goethe in seinem Faust.
Viele verwechseln den Nihilismus mit dem Atheismus. Das ist falsch, denn Ersterer greift weiter.
„Durch die gedankliche Orientierung am Nichts beinhaltet der Nihilismus einen absoluten Vorrang des Individuums, das allein seinen Trieben und Neigungen folgt und dem alles erlaubt ist. Zugleich bewirkt die fehlende Orientierung ein Gefühl der Verlassenheit und des Ausgeliefertseins an eine nicht beherrschbare Umwelt (Geworfenheit), das häufig mit einer pessimistischen Grundhaltung verbunden ist.“ Definition aus Wikipedia
Der Atheist hat sich nicht vom Leben selbst entfernt. Keinesfalls. Er hat nur einen anderen subjektiven Wert für sich gefunden: „Seine“ Wahrheit OHNE einen Gott. Der Wert oder Unwert des oder seines Lebens und der Welt bleibt davon unangetastet.
Friedrich Nietzsche nennt die Religion selbst „nihilistisch und dekadent“ und orientiert sich hierbei an dem zur Tugend erhobenen „Mitleid“.
<<[…]man hat aus ihm die Tugend, den Boden und Ursprung aller Tugenden gemacht, - nur freilich, was man stets im Auge behalten muss, vom Gesichtspunkte einer Philosophie aus, welche nihilistisch war, welche die Verneinung des Lebens auf ihr Schild schrieb. Schopenhauer war in seinem Rechte damit: durch das Mitleid wird das Leben verneint, verneinungswürdig gemacht, - Mitleiden ist die Praxis des Nihilismus […]<<
Wenn sich also jemand als einen „Nihilisten“ bezeichnet, stellt sich mir die Frage, ob es nicht einfach bequem ist und feige, WERTE zu leugnen. Wo man sie nicht (an)erkennt, da muss man sich auch nicht der Mühe unterziehen, sie zu hinterfragen oder zu leben.
„Nihilisten“ waren gefragt und ihre Richtung war „in“. Schriftsteller wie Camus oder Miller könnten vielleicht als Vorreiter heutiger „no future generation“ oder der „Null Bock“ Richtung bezeichnet werden?
Ist Nihilismus Anarchie? Und ist „Nihilismus“ eine Philosophie oder eher als eine Flucht vor Verantwortung zu sehen? Ein Schutzschild der (Lebens)Angst?
mmn ist hier einiges durcheinander geraten, was natürlich an der Kürze des Statements liegt.
Schopenhauer war mit seiner Meinung über das Mitleid weiter von der Realität weg als je zuvor. Der Sinn des Mitleids ist ja nicht das Leiden. Wenn ein Sanitäter statt zu helfen, Mitleid versprüht, dann ist er unfähig. Mitleid, besser Einfühlung ist ein Erkenntnisweg, der dem Intellekt Zugang verschafft zu seiner Gefühlswelt und zur Gefühlswelt anderer, da dieser Weg natürlicherweise oft verschlossen ist. Die Nichteinfühlung führt ja häufig zu völlig falschen Schlussfolgerungen des Intellekts. Der Fehler des Sanitäters liegt an der Stelle, wo er die notwendigen Informationen zum Helfen hat und jetzt sinnloserweise und schädlich dem Gefühl Raum gibt. Die gegenteilige Störung liegt in der Psychopathie, wo Menschen vor offernsichtlichem Leid ihre Augen, ihr Herz und eben auch ihren Verstand verschließen und dann zu völlig falschen Schlussfolgerungen gelangen. Sowohl Schopenhauer als auch Nietzsche haben beide nur einen sehr schmalen Zugang zu ihrem Gefühlsleben und zu dem anderer, und darum fallen beide mitunter in merkwürdig extreme Handlungsweisen.
Der klassische intellektuelle, nennen wir ihn "Hochatheismus", hat nichts mit Nihilismus zu tun. Menschen seit der Antike haben festgestellt, dass die Religionen ihre Hauptaufgaben, nämlich eine Basis zu legen für Grundethik, Demut, Realitätssinn, Verantwortung und Bildung, nur sehr unzureichend erfüllen - und dass das damit zusammenhängt, dass man einem Gott Eigenschaften zusprechen muss, mit denen man sich in Widersprüche verrennt. Der Islam hat es dann ohne Eigenschaften versucht und hat sich damit zunächst die Basis für eine friedliche Zivilgesellschaft verbaut und sich in andere Widersprüche verwickelt.
Atheisten haben danach versucht, durch geeignete Setzungen, eine Ethik zu entwickeln, nach der die Menschen leben können. Gott spielte darin dann keine Rolle, weil er dazu nichts beitragen konnte, bzw. sich sein Beitrag in den Religionen offenbar erschöpft hatte.
Daneben gibt es, das gebe ich zu, einen Niederatheismus aus Gleichgültigkeit, Desinteresse, Vorurteilen oder Kapitalismus, welcher Gott ablehnt, weil er Arbeit macht, aber so etwas ist ja keine Mühe wert.
Nitzsche hat versucht einen Hochnihilismus zu schaffen, indem er die Thesen, die er am Anfang seines Buches aufstellt und als gesichert hinstellt, am Ende zerbröseln lässt. Dieses intellektuelle Spiel erreicht aber genau das Gegenteil vom Atheismus. Es führt die Setzungen als sinnlos vor und zerstört damit die Basis für ein funktionierendes Miteinander. Doch Nitzsche widerlegt den Atheismus nicht, da die Atheisten nie behauptet haben, dass sie auf etwas anderes aufbauen als auf der Setzung, dass ein sinnvolles, begründetes, glückliches, soziales Leben besser ist als ein sinnloses, weggeworfenes Leben. Darum sind Hochatheismus und Nihilismus das genaue Gegenteil zueinander. Der Nihilismus ist Lüge, da er am Ende genau das Gegenteil von dem erzeugt, was er will. Er hat also gar nicht verstanden, warum der Atheismus Prämissen setzt. Atheismus setzt Menschenwürde und erreicht am ende ein klein wenig davon. Nihilismus setzt Ablehnung und erreicht dann am Ende Ablehnung und fühlt sich dadurch bestätigt. Prämissen sind aber nur dadurch zu widerlegen, dass sie sich nicht durchhalten lassen. Hingegen ist es sinnlos, einfach die Gegenpämisse aufzustellen und vorzuführen, dass sie ins Elend führt. Verwahrlosung und geistige Umnachtung sind ebenfalls setzbar. Atheisten haben nie das Gegenteil behauptet.
Jedoch können wir nur durch das, was wir wollen, nur durch das Setzen von Menschenrechten, Sozialisation und Gerechtigkeit diese positiven Ergebnisse erzielen. Aus Hass, Gleichgültigkeit und Diebstahl werden wir nie eine funktionierende Welt erzeugen können. In allen Anteil- und Modellwelten setzen wir hingegen Gerechtigkeit, zB. im Kindergarten und im Sport, warum nicht in der Zentralwelt?