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Was ist Glück? Beispiel: Bhutan

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Was ist Glück? Beispiel: Bhutan

Das winzige Land Bhutan gilt als eines der glücklichsten. Dort steht laut Verfassung das das "Bruttoinlandsglück" über dem "Bruttosozialprodukt".
Macht das die Menschen glücklich?

BHUTAN- GAS

Die Flüchtigkeit statistischen Glücks

Glück, Religion und Gleichschaltung

Allein der Begriff "Bruttoinlandsglück" ist bedenklich. Schon deshalb, weil er so bürokratisch daherstelzt. Mit Bürokratie hat die "Messung von Glück" in Bhutan tatsächlich viel zu tun. Da gibt es ein spezielles Ministerium für die Glücksmessung. Beamte schwärmen aus, um einen weit über 200 Fragen umfassenden Glücks- Ermittlungs- Katalog abzuarbeiten. Etliche Fragen beziehen sich auf Spirituelles. Zwei Beispiele:

-Wie oft achten Sie bei Ihrem Tun auf mögliche Folgen für Ihr Karma? () Immer () Manchmal () Nie

-Wenn Sie nachts durch die Straßen gehen: Wie sicher fühlen Sie sich vor Gespenstern? () Sicher () Halbwegs sicher () Eher unsicher

Religion, speziell der Buddhismus, ist Staatsreligion in Bhutan. Dafür werden Priester ausgebildet. Die Religionsschüler sind nicht selten Kinder. Stundenlang lesen sie täglich religiöse Texte. Was bei uns als "Kindesmissbrauch" angesehen werden könnte, ist in Bhutan normal. Dabei sind Kinder weder in der Lage, die komplizierten Abstrakta in religösen Texten zu begreifen, noch können sie in der Lage sein, eine Religion (oder Weltanschauung) aus freiem Willen für sich zu beanspruchen. Zudem überfordert tägliches stundenlanges verordnetes "Lernen" die Kinder.
Oder können wir uns vorstellen, dass Kinder Begeisterung verspüren, wenn sie diese Texte "studieren"? Sie tun es, weil es angeblich für die Gesellschaft nützlich ist.
Ähnliches gilt für das Lernen an unseren Schulen. Kinder lernen meist aus Angst vor schlechten Noten, weniger aus eigenem Antrieb. Lernen unter Angst bedeutet, dass das Gelernte rasch wieder vergessen wird. Das ist nicht nur ineffektiv, es beschädigt auch die Seele. Hirnforscher wissen das. Etwa Professor Gerald Hüther, einer der bekanntesten Wissenschaftler auf diesem Gebiet in Deutschland.

Man muss an Vieles glauben, um sich dem verordneten Glück bedingungslos zu verschreiben. Nicht nur an den Buddhismus. Auch an den König und an den Staat. Im Kino der Hauptstadt Thimphu leuchtet vor jeder Vorstellung ein Bild des Königs von der Leinwand. Die Besucher stehen auf und singen die Nationalhymne, dann beginnt der neueste Bollywood-Schinken.
So langsam dürften jetzt Kenner von Orwells "1984" wach werden. Oder sind sie es schon, haben sie bei der Beschreibung der Glücksmessung durch Beamte Parallelen zu Orwells fiktivem "Ministerium für Wahrheit" erkannt?
In Bhutan gilt die Einheitskleidung als bindend. Es gibt einheitliche Vorschriften für den Bau von Häusern. Natürlich im Sinne der Tradition. Was aber macht eine solche Gleichschaltung mit den Menschen? Sicher, die Häuser dort sehen schöner aus als unsere Neubau- Blöcke. Das Prinzip jedoch, welches Kreativität unterdrückt, ist das gleiche.

Ethnische Säuberung

Ein großes Tabu in Bhutan ist die Vertreibung und Unterdrückung der Nepalesen.
"K 4", einer der Könige Bhutans, verbot Nepalesisch als Unterrichtssprache. Und von nun an musste das ganze Land die Tracht des Nordens tragen. Als Deutschland 1990 dieWiedervereinigung feierte, wurde in Bhutan zum ersten Mal demonstriert: Zehntausende Nepalesen gingen auf die Straße. Der Streit eskalierte, es folgten Anschläge und Attentate. Bhutans Armee vertrieb Hunderttausende Nepalesen. Noch heute leben viele von ihnen in Flüchtlingslagern in Ostnepal. Hat Bhutan von Israel gelernt?

Demokratie

Ein neuer König, K 5 zwang sein Volk 2008 zur "Demokratie". Ein Bauer sagte dazu: "Wozu eigentlich? Ich will lieber, dass mich ein schlauer König regiert als ein dummes Volk." Wählen ging er trotzdem, sein König wollte es so. Wie sahen diese Wahlen aus?

Die Aktivistin Lily Wangchuk führt die Chirwang; sie bedauert das Fehlen von zivilgesellschaftlichen Gruppen. Für NGOs dürfte in Bhutan die Zeit noch nicht reif sein.

Für die Wahlpremiere war das Volk intensiv eingeschult worden. Im April 2007 wurden Testwahlen für das demokratische Procedere durchgeführt. Der Donnerdrachen – Druk in der Landessprache Dzongkha - diente als Leitfigur. Eine fiktive Blaue, Rote, Grüne und Gelbe Drachenpartei wetteiferten landesweit in fast 900 Wahllokalen um Stimmen. Die Farben standen für das Parteiprogramm – blau für Fairness und Verantwortung, rot für industrielle Entwicklung, grün für Umwelt, gelb für Tradition. Die Lektion saß, wie das Ergebnis der echten Wahlen Monate später zeigte.

Die Wahlmaschinerie lief auch dieses Mal früh an. Trainingskurse für Wahlhelfer, die ausschwärmen, wurden durchgeführt, die Beschwerdekommission ausgebaut. Wählen gehen bedeutet im Hochgebirgsland oft eine Tagesreise. Die Briefwahl klappte 2008 nicht so recht.

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/top_news/561543_Demokratische-Lektion-in-Bhutan.html

Drogen verboten?

Offiziell ist Rauchen in Bhutan verboten. Alkohol jedoch nicht. Dazu kommt eine Form der Droge, die wir weniger kennen: Das Kauen der Betel-Nuss. Einer der wenigen Deutschen, welchen es gelang, Bhutan abseits der Touristenpfade zu erkunden, sagte dazu:
Nicht nur der Reis in diesem Land ist rot, sondern auch die Zähne der Bewohner. Dies kommt von den Betelnüssen, die eine Vielzahl der Menschen dort ständig kaut und deren Saft auf die Straße gespukt wird. Daher auch der eigenartige Geruch in den Dörfern und Städten.

Siehe Kommentar 61 im Spiegel- Forum zu einem Beitrag über Bhutan: http://forum.spiegel.de/f22/bhutan-hinter-den-bergen-bei-den-gluecklichen-menschen-109063-7.html

Was ist so schlimm an der Betel- Nuss?

Der Konsum von Betelnüssen führt zum einen zu vermehrtem Speichelfluss und Wohlbefinden. Zum anderen dämpft er den Appetit. Die Wirkung ist ähnlich der von Alkohol. Weitere typische Symptome sind Übelkeit, starkes Schwitzen sowie ein Brennen im Mund- und Rachenraum. In einer hohen Dosis führen die Nüsse zu Bradykardie, Zittern, Erbrechen, Verwirrung, Krämpfen und Durchfall. Tod durch Atem- oder Herzstillstand kann die Folge sein.

http://de.wikipedia.org/wiki/Betelnusspalme#Verwendung

Und hier:


Etwa 600 Millionen Menschen kauen regelmässig Betel... Das regt Speichelfluss und Schweissdrüsen-Produktion an und versetzt in einen distanziert-heiteren Gemütszustand. Der chronischer Gebrauch führt zu tiefschwarzer Mund- u. Zahnverfärbung, Gebissschäden und schwerste chronische Entzündungen an Mundschleimhaut und Zahnfleisch. Auch Krebserkrankungen im Mund-Rachen-Speiseröhrenbereich werden in Zusammenhang mit Betelkonsum gebracht.

http://www.volksapotheke.ch/R_09PdM_Betel.php

Sind "gesteigertes Wohlbefinden" und ein "distanziert-heiteren Gemütszustand" durch Betel- Kauen in Bhutan vielleicht wesentliche Grundlagen für (scheinbares) Glück?

Ein Honorarkonsul als Anarchist?

Interessante Fragen zu Bhutan stellte Michael Rutland, Bhutanischer Honorarkonsul in Großbritannien, beim Seminar über Bruttosozialglück in Salzburg im Jahre 2009:

1.) Und wie verhält es sich mit Bildung….befördert diese das Glück….sind Menschen umso glücklicher, je mehr sie ausgebildet sind?
Und das zunehmende Problem der Jugendarbeitslosigkeit – ist es ein Ergebnis der Weiterverbreitung von Bildung?

2.) Kann der Staat Gesetze erlassen für Glück, sei es auf der Ebene des Individuums oder der der Nation?

3.) In den letzten fünf Jahren hat Bhutan über die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation verhandelt, und diese steht unmittelbar bevor. Wird der Beitritt wirklich dem Land zugute kommen,
wo noch fast siebzig Prozent der Bevölkerung aus Kleinbauern bestehen? Wird der Beitritt den Konsumgeist fördern? Es gibt im Lande eine große Debatte, bei
der Viele glauben, dass gerade die Prinzipien der Welthandelsorganisation mit den Prinzipien des Bruttosozialglück s kollidieren.

4.) Es wird eine weitgehende Lohnerhöhung für Dienstleistungsberufe geben – aber es wird vorgeschlagen, dem Meistverdienenden eine siebenundsiebzigprozentige Erhöhung zu zahlen und
eine vierzigprozentige dem, der am wenigsten verdient. Ich frage mich, ob Sie denken, dass solch eine Wirtschaft das Bruttosozialglück erhöht?

5.) Leopold Kohr (Ein Anarchist! Dies nur am Rande bemerkt- Anarchist. Siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Kohr) hat darauf hingewiesen, dass der Befall des Volkskörpers mit Angriffslust, Brutalität oder hochgradigem Schwachsinn daher rührt, dass menschliche Wesen, welche als Einzelne oder in kleinen Gruppen so charmant sind, zusammengeschweißt wurden zu übervölkerten gesellschaftlichen Einheiten. Dies beschreibt klar, was geschieht, wenn Populationen immer weiter in wenigen städtischen Zentren konzentriert werden auf Kosten kleiner ländlicher Gemeinschaften. Interessant ist demgegenüber eine Umfrage, die in Bhutan veranstaltet wurde, welche zeigte, dass in ländlichen Gemeinden Lebensqualität, Gemeinschaftsgeist, menschliche Beziehungen sehr viel ausgeprägter sind als in den Städten. Doch die Ergebnisse bezüglich „Glück“ waren in den Städten höher als in den Dörfern! Ich frage mich, warum?


http://www.probhutan.com/lib/GNH dt Michael Rutland.pdf

Zu 1.) Seitdem in Bhutan immer mehr junge Menschen Schulen besuchen, wächst die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen. Paradox? Nein, logisch. Wer jahrelang eine Schule besucht, also abstraktes Wissen speichert, statt praktisch begreifbar zu lernen, kann nichts richtig, ist aber scheinbar zu allem zu gebrauchen.

Zu 2.) Ein Staatswesen ist ein künstliches Konstrukt. Es ist vor allem an seiner Selbsterhaltung interessiert. Je mächtiger der Staat, desto ohnmächtiger der Mensch. Beamtenglück vor Menschenglück.

Zu 3.) Bis heute ist Bhutan der Welthandelsorganisation nicht beigetreten. Eine kluge Entscheidung. Man betrachte den Zustand armer Länder, die sich anders entschieden haben. Ein Stichwort dazu: Verschuldungsfalle.

Zu 4.) Kann Buddhismus und verordnetes Glück von oben Ungerechtigkeit vermeiden?

Zu 5.) Auf dem Land, in kleinen, überschaubaren Gemeinschaften, lebt es sich eben glücklicher als in der anonymisierenden Stadt. Warum sonst ziehen deutsche Gutverdiener gern aufs Land?
Interessant sind natürlich die Ergebnisse statistischer Erhebungen durch den bhutanischen Staat. Traue keiner Statistik, die du nicht selbst manipuliert hast!

Übrigens: Meine Entdeckung, dass ein Honorarkonsul nicht an einem Anarchisten wie Leopold Kohr vorbeikommt, lässt mich anarchisch jubeln.

Schluss, Nebulöses

Dass Bhutan nun mehr und mehr verwestlicht- oder besser: neokolonial zivilisiert wird, wen wundert´s?
Wer sich sein Glück von oben verordnen lässt und es an Einzelpersonen festmacht, ist derjenige wirklich selbst- bewusst?
Staat und Religion machen nicht glücklich. Sie schaffen keine Harmonie. Sie schaffen das Gegenteil: Harm. Das ist alles andere als harmlos.
"Harm" bedeutet eine von außen zugefügte Verletzung. Egal, was sie sich auf die Fahne schreiben. Religion und Staat sind Instrumente der Herrschaft, der Vergewaltigung.
Chirurgen benutzten früher Lachgas, um Schmerzen erträglich zu machen. Unsere Zivilisation braucht ebenfalls Narkotika.
Und wenn es nur eine nebulöse Hoffnung, eine Erlösungsmöglichkeit ist, die sich mit fernöstlichem Zauber schmückt.
Nebel. Gas. Bhutan- Gas.
 
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... sorry Fehler meinerseits, ich habe die Gallup-Glücks-Umfrage durcheinandergebracht mit der von Dir gemeinten innerstaatllichen Umfrage.

Du kannst diese Umfrage natürlich genauso nach westlichen Kriterien anzweifeln wie sie nach westlichen Kriterien erstellt wurde. Wie die Menschen das in Bhutan tatsächlich sehen, würde mich aber durchaus interessieren.

Persönlich sehe ich in der "Glücks"-Umfrage und deren Echo in den westlichen Medien den Wunsch nach persönlicher Autonomie und dem Abbau gesetzlicher Repressionen und einer Massengesellschaft. Nicht umsonst landete Singapur in der Umfrage auf dem letzten Platz.
 
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... sorry Fehler meinerseits, ich habe die Gallup-Glücks-Umfrage durcheinandergebracht mit der von Dir gemeinten innerstaatllichen Umfrage.

Du kannst diese Umfrage natürlich genauso nach westlichen Kriterien anzweifeln wie sie nach westlichen Kriterien erstellt wurde. Wie die Menschen das in Bhutan tatsächlich sehen, würde mich aber durchaus interessieren.

Persönlich sehe ich in der "Glücks"-Umfrage und deren Echo in den westlichen Medien den Wunsch nach persönlicher Autonomie und dem Abbau gesetzlicher Repressionen und einer Massengesellschaft. Nicht umsonst landete Singapur in der Umfrage auf dem letzten Platz.

Es geht nicht nur um die Umfrage in Bhutan. Es geht hier um die gesellschaftliche Entwicklung in diesem Land. Guck Dir doch mal an, was der Honorarkonsul dazu bemerkte, siehe oben.
 

zwei2Raben

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Bhutan ist ein Witzstaat

Im Norden wurde ein Teil bereits früher von China annektiert und daher hat China keinen Hunger mehr. Der Rest wird von Indien verteidigt und hängt finanziell von Indien ab. Indien leistet sich diesen Sozialhilfeempfänger als Puffer gegen China. Da es keine Bodenschätze hat, ist es uninteressant.
 

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