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"Sozialdarwinismus" - der geistige Fluch der Moderne?

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Auf Wikipedia wird der Begriff "Sozialdarwinismus" so definiert:

Sozialdarwinismus ist eine biologistisch determinierte,[1] in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr populäre Theorierichtung, welche die Evolutionstheorie nach Charles Darwin auf menschliche Gesellschaften anwendet und deren Entwicklung als Folge natürlicher Selektion beim „Kampf ums Dasein“ auffasst. Gewöhnlich wird von Sozialdarwinisten damit eine Höherentwicklung zu einer wertvolleren Lebensform verbunden,(...). Dabei kann zwischen sozialdarwinistischen Ansätzen danach unterschieden werden, ob sie sich auf individuellen oder kollektiven Wettbewerb beziehen. Konventionelle Ansätze des Sozialdarwinismus werden mit politischem Konservatismus, Laissez-Faire, Imperialismus und Rassismus verbunden. Sozialdarwinismus gab es grundsätzlich in allen politischen Lagern; und erlangte teilweise großen Einfluss. (...) Verschiedene, aber nicht alle Sozialdarwinisten befürworteten eugenische Maßnahmen,[2] also die Anwendung humangenetischer Erkenntnisse auf Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik mit dem Ziel, den Anteil positiv bewerteter Erbanlagen zu vergrößern und negativ bewerteter Erbanlagen zu verringern. In Verbindung mit der wissenschaftlich diskreditierten Theorie menschlicher Rassen bildete der Sozialdarwinismus einen Grundpfeiler der Ideologie des Nationalsozialismus und seiner „Lebensraum“-Doktrin. Aufgrund der propagierten Ungleichheit und der beispielsweise hieraus resultierenden Betonung des Rechts des Stärkeren ist der Sozialdarwinismus heute ein Wesensmerkmal des Rechtsextremismus. Der Kern rechtsextremer Ideologie artikuliert sich in der „Ideologie der Ungleichheit“, aus der ethnische, geistige und körperliche Unterschiede zum Kriterium für die Zuweisung eines minderen Rechts- und Wertestatus für bestimmte Individuen und Gruppen hergeleitet werden.
(...)
Der Historiker Richard Hofstadter (...) stellte den Sozialdarwinismus von H. Spencer und William Graham Sumner als willkommene theoretische Grundlage des Laissez-faire Kapitalismus dar
(...)
Während der individualistische Sozialdarwinismus (...) vorwiegend in einem Laissez-faire Kapitalismus Ausdruck fand, gab es auch kollektive Sozialdarwinismen, die den Kampf zwischen Rassen und Völkern als Grundlage des evolutionären Fortschritts ansahen
(...)
Laut R. Hofstadter soll das darwinistisches Denken auch auf das Denken der frühen orthodoxen Marxisten Einfluss gehabt haben; so hätte sich K. Marx gegenüber F. Engels auf Darwins Origin of Species als Basis für den Klassenkampf berufen. Auch Sozialisten wie Keir Hardie vertraten darwinistische Positionen. Auch gab es sozialistische Sozialdarwinisten wie Jack London und andere
(...)
Liest man die Originalbriefe, begrüßen sowohl Marx als auch Engels als positiven Nebeneffekt an Darwins Werk die Zerstörung der Teleologie.

Quelle http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialdarwinismus

Was Sozialdarwinismus für Mensch und Gesellschaft bedeutet, zeigt dieses Zitat eines seiner Apologeten:

Der grausame und schonungslose ‚Kampf ums Dasein‘, der überall in der lebendigen Natur wüte und naturgemäß wüten muß, diese unaufhörliche und unerbittliche Konkurrenz alles Lebendigen ist eine unleugbare Tatsache; nur die auserlesene Minderzahl der bevorzugten Tüchtigen ist imstande, diese Konkurrenz glücklich zu bestehen, während die große Mehrzahl der Konkurrenten notwendig elend verderben muß. Man kann diese Tatsache tief beklagen, aber man kann sie weder wegleugnen noch ändern. Alle sind berufen, aber nur wenige sind auserwählt.[

Ernst Haeckel 1878, zitiert nach Wikipedia

Die Herrschaft einer privilegierten Minderheit wird als die Herrschaft der bevorzugten Tüchtigen legitimiert. Alldiweil die moderne Biologie dem Sozialdarwinismus eine klare Absage erteilt:

In der Biologie hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass evolutionäre Vorgänge nicht von einer Höherentwicklung begleitet werden, ja dass eine objektive Einteilung der Lebensformen in höhere und niedrigere Gruppen grundsätzlich unmöglich ist.[

Es überleben und vermehren sich immer nur die, die am besten überleben und sich am besten vermehren können. So sind heutige Schildkröten verglichen mit ihren Verwandten, den Dinosauriern, eigentlich nur lahme Fehlkonstruktionen. Aber sie verstanden es besser als all die agilen Dinos, zu überleben.
Dass die Evolution Selbstzweck ist, zeigt auch die Geschichte "Die Insel der Krebse". Besagte Krebse sind Roboter in der Größe von Schuhkartons, die mechanischen Krebsen ähneln. Sie werden auf einer Insel ausgesetzt und darauf programmier, in brutalster Weise übereinander herzufallen. Die angeblich überlegenen Krebs-Roboter sollen aus den Bestandteilen der im Kampf unterlegenen Roboter die nächste und noch bessere Generation schaffen. Der Erfinder erhofft sich davon, dass qua Evolution hoch flexible Kampfmaschinen entstehen, die sich als Waffe einsetzen lassen.
Heraus kommen aber keine flinken, harten und brutalen Killer, sondern träge Riesenkrebse. Weil es sich für das Überleben unter den gegebenen Umständen als das Beste erweist, möglichst groß zu werden und kleinere, flinkere und agilere Konkurrenten durch schiedere Masse platt zu machen. Ein Riesenkrebs, der einen kleinen Krebs mit einem beiläufigen Schlag mit der Schere zerstören kann, braucht aber weder schnell noch intelligent zu sein.

Auf menschliche Gesellschaften bezogen führt die Anwendung sozialdarwinistischer Prinzipien - "Wettbewerb", "Konkurrenz", "Freies Spiel der Kräfte" - schon deshalb nicht zu einer "Höherentwicklung" (egal wie man das definiert), weil es darum bei der Evolution nicht geht. Es geht darum, zu überleben, Ressourcen an sich zu ziehen und sich zu reproduzieren. Individuen und Kollektive, die diesen Kriterien gerecht werden, bestehen weiter. Auch wenn sie nach allen anderen Maßstäben ein Graus und ein Rückschritt sind!
So kommt es für politische, weltanschauliche oder ökonomische Einheiten im "freien Spiel der Kräfte" nur darauf an, möglichst groß zu werden. Ab einer gewissen Größe kann eine Kirche oder ein Konzern schlicht qua dem Gewicht des eigenen Apparates nicht mehr pleite gehen! Die katholische Kirche macht es vor, viele andere machen es nach. Wobei Konzerne einen gewissen Erfolg dabei haben mögen, alldiweil sich Parteien als prekäre Fehlschläge erweisen. Weil es sich nicht schaffen, groß genug zu werden und weil sie leichter zu zerstören sind als etwa die Kirche.

Aber wie bei "Die Insel der Krebse" führt die soziale Evolution nicht zu Fortschritt sondern zu Rückschritt: wer klein und flexibel ist, wird von den Großen und Trägen platt gemacht! So wie auf der Insel zum Schluss nur noch einige Riesenkrebse träge vor sich hindämmerten, können in der menschlichen Gesellschaft zum Schluss nur noch einige Mega-Einheiten - big business, big government, big religion - träge vor sich hin dämmern. Man bildet schön Monopole und Oligopole, führt gegeneinander Schaukämpfe und ist sich darin einig, innovative Konkurrenz im Keim zu ersticken.
Die Säugetiere erhielten erst ihre Chance, als ein Meteor vor 65 Millionen Jahren die Dinosaurier auslöschte. Mit einer menschlichen Gesellschaft, die sich dem Sozialdarwinismus verschrieben hat, mag es ähnlich sein. Die dabei entstandenen großen und trägen Einheiten - die mehr dem groß&doof-Klischee der Dinosaurier entsprechen als diese selbst - mögen so lange weiter machen, bis der nächste Meteor sie auslöscht.

So wird Sozialdarwinismus sogar dann und erst recht dann zu einem Fluch, wenn er mehr ist als ein Hirngespinst. Weil in der Ellenbogengesellschaft es irgendwann nur noch Ellenbogen gibt und weder Hirne, die etwas ausdenken, noch Hände, die etwas bauen. Und die mit den größten Ellenbogen zum bösen Schluss die mit den kleineren Ellenbogen platt machen.
Erfolgreiche menschliche Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, Sozialdarwinismus nicht erst zu zu lassen sondern zu überwinden.

Eine andere Sicht von "Entwicklung" bei zu behalten oder zu schaffen. Dazu steht auf Wikipedia:

Anhänger des Sozialdarwinismus geben dem Begriff des Survival of the Fittest in der Regel eine Umdeutung, die durch den biologischen Zusammenhang, in den Darwin ihn stellte, nicht gedeckt ist. Laut Darwin war nicht das Überleben an sich, sondern die Zeugung möglichst vieler überlebens- und fortpflanzungsfähiger Nachkommen Grundlage biologischen Erfolges.[131] Dazu zeigt sich, dass sowohl die von Sozialdarwinisten abgelehnte genetische Vielfalt als auch die Existenz altruistischer Verhaltensweisen in der Natur weit verbreitet sind und sich meist positiv auf die evolutionäre Fitness einer Art auswirken. Ein früher Kritiker herkömmlicher sozialdarwinistischer Theorien auf der Grundlage einer Theorie der Kooperation war der Anarchist und Geograph Pjotr Alexejewitsch Kropotkin mit seinem 1902 erstmals erschienen Buch Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt. Eine aktuelle Theorie der symbiotischen Evolution vertritt Lynn Margulis.

Letztendlich ist der Sozialdarwinismus aus Sicht so ziemlich aller Weltanschauungen ein verhängnisvolles Missverständnis. Der Artikel auf Wikipedia nennt deutsche Konservative, die aus religiösen Gründen den Sozialdarwinismus ablehnen, und neben den Anarchisten (Kropotkin) die Sozialisten als Gegner dieser Theorie.
Aber selbst die Liaison "Rechtsextreme & Sozialdarwinismus" ist nur dann haltbar, wenn die Rechten an ihrem eisernen Willen zur Erfolglosigkeit und dem Dasein als geistig-moralischer Bodensatz festhalten. Rechte Projekte, die nach sozialdarwinistischen Prämissen vorgingen, scheiterten über kurz oder lang auf klägliche Weise. Rechte Politiker und Bewegungen, die außer "Kampf ums Dasein" nicht viel zu bieten haben, erweisen sich als noch schlimmere Chaoten als die Linken und Liberalen. Der Rechte Berlusconi ist dann selbst für einen anderen Rechten nur ein Verbrecher. Die libanesischen Phalangisten und die israelischen Nationalfundamentalisten gehören als "Rechte" im Nahen Osten zu den allerschlimmsten Chaoten.
Wie war das noch mit "Zucht und Ordnung", Kameraden? Weiße Inzucht und gewalttätige Unordnung sind das Ergebnis rechten Sozialdarwinismus.

Auch Liberalismus & Sozialdarwinismus passt nicht. Es ist eher die Quelle nicht enden wollender Missverständnisse. Weil eine Weichspül-Version des Sozialdarwinismus als "liberal" oder "neoliberal" bezeichnet wird. Liberale Sozialdarwinisten mögen keine Rassisten oder Schwulenhasser sein wie ihre rechten Kollegen. Aber es sind trotzdem Sozialdarwinisten und als solche Apologeten eines Systems, was nur begrenzt oder gar nicht mit "Freiheit" vereinbar ist. Weil sich Freiheit nun einmal nicht in totaler Unsicherheit realisieren lässt.

Die Herleitung von Ordnung durch die Aufklärung, auf die sich meines Wissens Liberale gern berufen, steht IMHO im Gegensatz zum Sozialdarwinismus. Bei den Theorien der Aufklärung wird der Logik von Hobbes zufolge der "Naturzustand" als das totale Chaos gesehen, wo zwar alle frei sind, aber keiner ist seines Lebens sicher. Der Naturzustand ist eben nicht der Ort, wo sich soziale Evolution abspielt, sondern ein Zustand, dem die Menschen entfliehen, um sich der Ordnung zu unterwerfen. Wo sie Freiheit gegen Sicherheit eintauschen. Kants Schrift "Zum ewigen Frieden" zufolge sollen das auch die Staaten machen, um sich nicht länger in Kriegen zu zerfleischen. "Liberalismus ist Freiheit in Gebundenheit" meinte ein Liberaler zu mir. Dann kann es kein "Kampf ums Dasein" sein.
 
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wafi

tztz Beverly

was soll ich denn noch schreiben, wenn du schon Kropotkin anführst? Dat ist gemein :p ... alles weitere siehe Kropotkin :D
Wobei ich immer noch nicht kapiere, warum den sowenig Leute kennen.

Gruß
Peter
 
W

wafi

so, grad nen Text dazu von Onkel Pjotr gefunden:


"Die Naturforscher wollten uns - ihrer bürgerlichen Erziehung Tribut zollend - weismachen, und sie gaben dabei vor, sich auf die wissenschaftliche Methode des Darwinismus zu stützen: 'Vernichtet jeden, der schwächer ist als ihr: so will es das Naturgesetz!' Da war es uns ein leichtes, mit Hilfe derselben Methode zu beweisen, daß diese Gelehrten fehlgegangen waren: Ein solches Gesetz existiert nicht, die Natur lehrt uns etwas ganz anderes, derartige Schlußfolgerungen sind keineswegs wissenschaftlich. Das Gleiche gilt für die Behauptung, die ungleiche Verteilung des Reichtums sei ein Naturgesetz oder die kapitalistische Ausbeutung die zweckmäßigste Form gesellschaftlicher Ordnung. Gerade die Anwendung der naturwissenschaftlichen Methode auf die Tatsachen der Ökonomie erlaubt uns zu beweisen, daß die sogenannten Gesetze der bürgerlichen Sozialwissenschaften samt der aktuellen politischen Ökonomie keineswegs Gesetze sind, sondern nichts weiter als Behauptungen, oder richtiger: Vermutungen, die man zu verifizieren versucht hat (Kropotkin, 1994: 61)."
 
OP
Beverly
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so, grad nen Text dazu von Onkel Pjotr gefunden:


"Die Naturforscher wollten uns - ihrer bürgerlichen Erziehung Tribut zollend - weismachen, und sie gaben dabei vor, sich auf die wissenschaftliche Methode des Darwinismus zu stützen: 'Vernichtet jeden, der schwächer ist als ihr: so will es das Naturgesetz!' Da war es uns ein leichtes, mit Hilfe derselben Methode zu beweisen, daß diese Gelehrten fehlgegangen waren: Ein solches Gesetz existiert nicht, die Natur lehrt uns etwas ganz anderes, derartige Schlußfolgerungen sind keineswegs wissenschaftlich. Das Gleiche gilt für die Behauptung, die ungleiche Verteilung des Reichtums sei ein Naturgesetz oder die kapitalistische Ausbeutung die zweckmäßigste Form gesellschaftlicher Ordnung. Gerade die Anwendung der naturwissenschaftlichen Methode auf die Tatsachen der Ökonomie erlaubt uns zu beweisen, daß die sogenannten Gesetze der bürgerlichen Sozialwissenschaften samt der aktuellen politischen Ökonomie keineswegs Gesetze sind, sondern nichts weiter als Behauptungen, oder richtiger: Vermutungen, die man zu verifizieren versucht hat (Kropotkin, 1994: 61)."

Das bringt es auf den Punkt. Noch heute werd gesellschaftliche Entwicklung als zwangsläufige und determinierte Konsequenz angeblicher Naturgesetze dargestellt. Womit man jeden *** als unvermeidlich und alternativlos rechtfertigen kann.

Wenn man das aber vom Kopf auf die Füße stellt, kommt man zu folgenden Schlüssen:

1. Oft werden Entwicklungen wie durch Massensuggestion herbeigefürt. Man erklärt den Menschen bestimmte Dinge als zwangsläufig und so verhalten sich aufgrund ihrer Suggestion so, dass diese Dinge auch eintreten. Was sie glauben lässt, dass diese Dinge wirklich zwangsläufig sind.

2. Es gibt keine absoluten Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern eher "Gesetzmäßigkeiten". Unter bestimmten Rahmenbedingungen wirken diese Gesetzmäßigkeiten, ändert man die Rahmenbedingungen, können ganz andere oder entgegengesetze Gesetzmäßigkeiten wirken.

3. Der Gewinn aus Rücksichtslosigkeit - "Vernichtung" - ist räumlich und zeitlich sehr begrenzt. Über große Distanzen, für große Menschengruppen und lange Zeiträume lohnt sich Rücksichtslosigkeit nicht und sie mag sogar schädlich sein. Wenn bürgerliche Sozialwissenschaftler Rücksichtslosigkeit fordern, dann verstehen sie nicht mal mehr ihre eigene Zivilisation. Die Rücksichtslosen haben sich da zwar oft durchgesetzt - aber nur für kurze Zeit und später schimpften alle über sie! Weil sie nachfolgenden Generationen die Zeche für ihre Exzesse zahlen ließen. Erfolgreich war das System da, wo es langfristig orientiert war und nicht auf das kranke Vernichten angeblich Schwächerer setzte. Wenn in bürgerlichen Gesellschaften dagegen sozialdarwinistische Tendenzen dominierten, ging es früher oder später mit ihnen bergab.
 
W

wafi

btw. das spannende an Kropotkin ist übrigends, daß er nicht mit einem vorgegebenen Menschenbild argumentiert, also weder den christlichen Mist der Erbsünde ... also Menschlein von natur aus schlecht und muß zum guten erzogen werden ... noch mit dem Bild der Utopisten ... Menschlein ist von Natur aus gut und wird zum Schlechten sozialisiert ... arbeitet, sondern seine Basis ist simpel, nur Gemeinschaften schaffen es auf Dauer sichfortzuentwickeln, mit allen Ecken und Kanten, mit allen möglichen Fehlern ... und gerade letztere, weil sie eben zu neuen Einsichten führen können.
Kritik an Kropotkin wird wenn, dann nur auf der Basis, er sei nicht wissenschaftlich genug vorgegangen, geübt. Btw. Kropotkins Schriften waren u.a. via Tolstoi auch Gadhi bekannt ... und wenn man sich das Bild eines Gandhis anschaut, stellt man verblüffende Ähnlichkeiten mit Kopotkin fest :D

M.E. bedarf es keiner weiteren Erwiderung auf die Sozialdarwinisten, es ist alles gesagt. Logisch ist die Konsequenz eines Kropotkins eine offene Gesellschaft ohne Herrschaft, also Anarchie. Sag ja .. nen kluger Mann :D
 
I

Iphigenie

Hi Peter,

hab mir grad paar Bücher von Kropotkin bestellt...
Die große Französische Revolution
Landwirtschaft, Industrie, Handwerk
und
Eroberung des Brotes.

Hast Du noch was zu empfehlen?

grüße
Iphi:)
 
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hab mir grad paar Bücher von Kropotkin bestellt...
Die große Französische Revolution...

Da kann man übrigens mit Google gleich mal einen Blick rein werfen.

http://books.google.de/books?id=qDy...=X&oi=book_result&resnum=1&ct=result#PPP13,M1

Fürchte allerdings, dass Kropotkin die britischen Drahtziehereien hinter der Französischen Revolution nicht richtig mitbekommen hat. Der Bankier Necker, der dann die Finanzen des französischen Hofes in Unordnung gebracht hat, dessen Frau die ehemalige, unglückliche Verlobte des Edward Gibbon war, und dergleichen heftige Zufälle mehr...

Habe das ja in meinem "Marx" mal kurz beleuchtet. :)
 
W

wafi

schwer zu sagen Iphi

also die französische Revolution ... kenn ich nur vom hören-sagen, berichte einfach mal wie das ist.
schon angesprochen "Gegenseitige Hilfe im Tier- und Menschenreich"
ganz gut ist auch "Der Anarchismus: Ursprung, Ideal und Philosophie", mit sehr vielen Texten von Kropotking und zusammengestellt von Heinz Hug. Spannend vielleicht gerade weil Kropotkin in den Texten einen geschichtlichen Abriß des Anarchismus aus seiner Sicht gibt, mit eben Beschreibungen der Ideen anderer Anarchisten, wie halt Bakunin usw. Ich bin mir bei dem Buch nicht sicher ob das als Buch von Kropotkin "geplant" war, m.E. sind das "nur" zusammengestellte Texte.

Gruß
Peter
 
OP
Beverly
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schon angesprochen "Gegenseitige Hilfe im Tier- und Menschenreich"
ganz gut ist auch "Der Anarchismus: Ursprung, Ideal und Philosophie"(...)

Gewöhnlich wird Anarchismus so dargestellt, dass es ein unerreichbares Ideal bleibt. Die Utopie der "Herrschaftslosigkeit". die den "neuen Menschen" voraussetzt und daran scheitert, dass es den neuen Menschen nicht gibt.

Zur Strafe dafür, keine "neuer" und perfekter Mensch zu sein, wird der alte Mensch dann auf Herrschaftsformen verwiesen, die allesamt in der einen oder anderen Art totalitär und menschenverachtend sind. Zumindest in der Moderne spielt beim Totalitarismus und der Menschenverachtung sozialdarwinistische Theorie und Praxis eine große Rolle. Schon von klein auf wird uns beigebracht, sich "durchzusetzen". Das Ideal des "postmodernen" Menschen ist der wendige und flexible Überlebenskünstler ohne eigene Ziele und Wertvorstellungen, der brav fremdbestimmte Ziele und Ideologien übernimmt. Staaten, Völker, Kulturen und Weltanschauungen agieren alle als Konkurrenten bei Nullsummenspielen und selbst Religionen, die in ihrer Ideologie Darwin und die Evolution, den "Biologismus", ablehnen, agieren objektiv nach sozialdarwinistischem Mustern. Missionieren > sich auf Kosten anderer ausbreiten. Empfängnisverhütung verbieten wie die Katholische Kirche > möglichst viel katholischen Nachwuchs in die Welt setzen, auch wenn die daran kaputt geht. Durch eine kranke Kombination aus Vernachlässigung und autoritärer Erziehung möglichst viele mentale Einzeller hervorbringen, weil die leichter manipulierbar sind, sich von selbst wie eine Seuche vermehren und im Zweifelsfall entbehrlich sind.
Wohin die konsequente Anwendung sozialdarwinistischer Denkmuster führt, zeigt der Roman Hellströms Brut von Frank Herbert. Aus der Rezension:

Seit mehr als 300 Millionen Jahren gibt es auf der Erde staatenbildende insekten. Sie sind in der Lage, in vergifteter und radioaktiv verseuchter Umwelt weiter zu existieren, und haben alle Aussicht, weitere 300 Millionen Jahre zu überleben.
(...)
Frank Herbert (...) fragte sich, welche Überlebenstechniken der Mensch wohl entwickeln müsse, um seinen Fortbestand über vergleichsweise lange Zeiträume zu sichern, und spielte den Gedanken in diesem Roman durch.

Zwei Dinge sind unerläßlich für eine derartig lange Existenz: der absolute Verzicht auf Individualität und die totale Unterordnung unter die Interessen des Gemeinwesens. Und beide sind für den Menschen nicht akzeptabel, ohne daß er sich selbst aufgibt.

In einer unterirdischen Analage werden nach den Prinzipien eines Insektenstaates Menschen gezüchtet und mit unterschiedlichen Spezialisierungen versehen. Der Fortbestand des Volkes ist von überragender Bedeutung, der einzelne bedeutet nichts.
"Du bist nichts, dein Volk ist alles!", sagten die Nazis als rechte Sozialdarwinisten.
"Es ist der Welt egal dass es dich gibt", sagen die liberalen Sozialdarwinisten.
"Die Geschichte ist die Geschichte von Klassenkämpfen!", sagen die linken, marxistischen Sozialdarwinisten.
Und alle reden einer "sozialen Evolution" das Wort, bei der nur Ungeziefer auf zwei Beinen herauskommt!
 
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Beverly
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Da kann man übrigens mit Google gleich mal einen Blick rein werfen.

http://books.google.de/books?id=qDy...=X&oi=book_result&resnum=1&ct=result#PPP13,M1

Fürchte allerdings, dass Kropotkin die britischen Drahtziehereien hinter der Französischen Revolution nicht richtig mitbekommen hat. Der Bankier Necker, der dann die Finanzen des französischen Hofes in Unordnung gebracht hat, dessen Frau die ehemalige, unglückliche Verlobte des Edward Gibbon war, und dergleichen heftige Zufälle mehr...

Habe das ja in meinem "Marx" mal kurz beleuchtet. :)

@Hellmann,

was hatten die Briten davon, die Französische Revolution anzuzetteln? Damit haben sie meines Erachtens nur die Modernisierung Kontinentaleuropas initiiert, das bei Fortbestand des Absolutismus weiter verrottet wäre. Besser hätte es für die Briten nicht laufen können - mit der Revolution von 1789 sind dagegen zuerst mit Frankreich, nach 1871 mit dem Deutschen Reich gefährliche Rivalen für die Briten entstanden.
 
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wafi

Beverly

eben ... man stellt Anarchismus so dar, tun allerdings nicht die Anarchisten :D
Weder Proudhon, Godwin, Bakunin, Kropotkin, Landauer, Müsam usw usw hatten ein idealisiertes Menschennild, noch meinten die Menschlein müsse sich ändern. Das ist ja der größte Witz an der Geschichte, alle anderen Ideologien oder Religionen gehen von einem Idealbild des Menschen aus, daß er dummerweise noch nicht erreicht hat ... aber mit der Führung der gesitig verwirrten ...ähm?:D .... kann sich Menschlein dahin vielleicht entwickeln ...

Nascha ... und der Anarchist sagt, och der Zweibeiner ist ganz in Ordnung so wie er ist ... laß den mal machen, der macht das schon ganz richtig.

Ich frag mich immer wer eigentlich Utopist ist :p:winken:

Der Sozialdarwinismus ist nichts anderes, als eben der VErsuch Herrschaft zu legetimieren, egal welche Pappnase wer grade auf hat und die sozialistischen Pappnasen sind mir genauso "lieb" und "teuer" wie die kapitalistischen Pappnasen. Erwähnte ich schon, daß ich Pappnasen nicht mag? :D
 
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...was hatten die Briten davon, die Französische Revolution anzuzetteln? Damit haben sie meines Erachtens nur die Modernisierung Kontinentaleuropas initiiert, das bei Fortbestand des Absolutismus weiter verrottet wäre. Besser hätte es für die Briten nicht laufen können - mit der Revolution von 1789 sind dagegen zuerst mit Frankreich, nach 1871 mit dem Deutschen Reich gefährliche Rivalen für die Briten entstanden.

Daraus hat man ja gelernt und später in Russland mit dem Fall des Zaren durch den Bolschewismus über fast ein Jahrhundert verhindert, dass im Herzen (MacKinder) von Eurasien ein liberalkapitaistisches Konkurrenzsystem mit modernen, imperialistischen Möglichkeiten und Entwicklungen entsteht.

Im Fall von Frankreich hat die alte Feindschaft Bürger gegen Adel und vor allem gegen den Katholizismus wohl das weiter reichende Denken behindert. Man hat aber auch dafür gesorgt, dass die Revolution in einem Blutbad alle höfischen errungenschaften der Kultur vernichtet.

So rückständig und verrottet, wie das später dargestellt wird, waren Adel und Kirche auch nicht, verglichen mit dem raubgierigen Bürger. Erst mit dem Kapitalismus kam für die Bevölkerung brutale Ausbeutung und Hunger und Elend über das ganze Leben.

Vor allem hat England mit der französischen Revolution die französische Konkurrenz auf den Weltmeeren und in den Kolonien wieder einmal ausgeschaltet. Und nach der Niederlage Napoleons war England auf dem Kontinent einflussreich und erst einmal beliebt. Wenn Russland und der Zar nicht noch gewesen wären...

Aber wenn es den Marx schon gegeben hätte, wäre sicher der Marxismus in Frankreich eingeführt worden. :kopfkratz:;)
 
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eben ... man stellt Anarchismus so dar, tun allerdings nicht die Anarchisten :D
Weder Proudhon, Godwin, Bakunin, Kropotkin, Landauer, Müsam usw usw hatten ein idealisiertes Menschennild, noch meinten die Menschlein müsse sich ändern.
(...)
Nascha ... und der Anarchist sagt, och der Zweibeiner ist ganz in Ordnung so wie er ist ... laß den mal machen, der macht das schon ganz richtig.

Wenn der Anarchismus vom Menschen, wie er ist, ausgeht, warum leben wir dann nicht in "anarchistischen" Gesellschaften?
Wie immer die aussehen mögen.

Der Sozialdarwinismus ist nichts anderes, als eben der VErsuch Herrschaft zu legetimieren, egal welche Pappnase wer grade auf hat und die sozialistischen Pappnasen sind mir genauso "lieb" und "teuer" wie die kapitalistischen Pappnasen. Erwähnte ich schon, daß ich Pappnasen nicht mag? :D

Die Apologeten des Sozialdarwinismus sagen aber, nicht "Anarchismus" - was das konkret auch sein mag -, sondern entfremdete und selbstbezogene Herrschaft entspreche der "Natur des Menschen".

Das ist ja der größte Witz an der Geschichte, alle anderen Ideologien oder Religionen gehen von einem Idealbild des Menschen aus, daß er dummerweise noch nicht erreicht hat ... aber mit der Führung der gesitig verwirrten ...ähm?:D .... kann sich Menschlein dahin vielleicht entwickeln ...

Wobei sie aber immer und immer wieder en masse seelische Krüppel produziert haben. Die monotheistischen Religionen mit ihrer kranken und widernatürlichen Sexualmoral (weil der Mensch polymorph pervers ist :D ), die Konservativen mit völlig verqueren Wertvorstellungen und die Nazis mit der Produktion blonder Mordmaschinen. Die Liberalen tragen den hochflexiblen Tagelöhner bei und was das Deutsche Reich bei der Produktion unterwürfiger Duckmäuser versäumt hat, hat IMHO die DDR zu Ende geführt.

Ich frag mich immer wer eigentlich Utopist ist :p:winken:

Ich habe das Gefühl, der herrschende Diskurs konstruiert ein Feindbild von "Utopie", um zu "beweisen", dass die unmöglich ist. Dabei wird IMHO von falschen Voraussetzungen ausgegangen und wieder alles auf "den Menschen" geschoben. Der Satz von Labriola "die Natur des Menschen ist die Kultur" wird dabei völlig ignoriert und kulturell Gewordenes als naturhaft Unveränderliches ausgegeben.
 
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Die Vorstellung, mit "sozialer Evolution" resp. Sozialdarwinismus analog zur Evolution in der Natur die optimalsten Ergebnisse für menschliche Gesellschaften zu erreichen scheitert schon daran, dass die Evolution in der Natur viele nur schlecht funktionierende Organe hervorbringt. Der Grund dafür ist simpel: die Evolution ist ein "blinder" und ungeplanter Prozess. Sie schafft Pflanzen, Menschen und Tiere eben nicht per "intelligent design" am Reißbrett, sondern hat nur "Versuch und Irrtum" zur Auswahl.
Fehler kann sie nicht durch planvolles Umbauen in einem großen Schritt beheben, sondern wieder nur mit "Versuch und Irrtum" in vielen kleinen Schritten. Wobei aber auch die Zwischenschritte überleben und Nachkommen zeugen müssen. Ein sehr umständliches und schwerfälliges Verfahren.

Das erklärt auch die "Konstruktionsfehler", die in diesem Artikel auf Wissenschaft.de angesprochen werden. Weil da eben nichts konstruiert wird. Auf der Stufe der Organismen wäre der nächste Schritt vom zufälligen Versuch und Irrtum zur "Konstruktion" - man erschafft Wesen mit Eigenschaften, wie sie "natürliche Zuchtwahl" nicht hervorbringen kann. Das ist allerdings ein sehr weites und umstrittenes Feld - siehe Gentechnik in der Landwirtschaft. Weil die Evolution nicht nur Fehler macht, sondern auch vermeidet und Gentechnik Dinge hervorbringen kann, welche uns die Evolution mit gutem Grund erspart hat.

Aber auf der Ebene der Vergesellschaftung sind die Dinge einfacher - einen Naturprozess mit so vielen Fehlentwicklungen und Unwägbarkeiten wie die Evolution kann man nicht zum Vorbild für gesellschaftliche Entwicklungen nehmen.
 

Wer ist gerade im Thread? PSW - Foristen » 0 «, Gäste » 1 « (insges. 1)

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