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"Der Weg ins Chaos" - hatten die Aristokraten Recht?

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Ich lese derzeit "Die Füchse im Weinberg" von Lion Feuchtwanger. Der Roman spielt in den Jahren ab 1776 in Paris und behandelt vor den Hintergrund der "Aufklärung" die Bündnis Frankreichs mit den gerade entstandenen USA gegen Großbritannien.

In diesem Roman gibt es diese Gruppen:

1. Die konservative Aristokratie, vertreten durch Ludwig XVI. und seine Schwiegermutter Maria Theresia von Österreich.

2. Die aufgeklärte Aristokratie, vertreten durch Joseph, den Sohn Maria Theresias, und diverse Minister von Ludwig XVI.

3. Die Intellektuellen, die sich im Zeichen der Aufklärung von der Bevormundung durch die Kirche befreien wollen und für die Namen wie Voltaire und Diderot stehen.

4. Das "aufstrebende Bürgertum" und seine intellektuellen und politischen Speerspitzen, für die im Roman Beaumarchais und Benjamin Franklin stehen.

5. Das einfache Volk, das komischerweise in den Diskursen der Herren Aufklärer gar nicht oder nur als Ziffer vorkommt. In "Die Füchse im Weinberg" treten einfache Menschen nur als Opfer des Krieges zwischen Englang und seinen nordamerikanischen Kolonien auf.
Beachtung finden sie nur von zwei Seiten: negativ von den Indiandern, die an der Seite Großbritanniens gegen die Siedler in Nordamerika kämpfen und die König Georg Bericht darüber erstatten, wie viele seiner Feinde sie abgeschlachtet.
Positiv von Ludwig XVI. und seiner Frau Marie Antoinette. Marie Antoinette macht sich Sorgen um ihr Ansehen bei den Franzosen und in einem strengen Winter gibt Ludwig Anweisung, mit seinem Schlitten Holz nach Paris zu karren.

Mein persönlicher Eindruck nach knapp 600 Seiten: Benjamin Franklin hat bei mir verschissen :mad: weil ich es degoutant finde, wie er im Roman die Religion zu einem nützlichen Werkzeug zur Kontrolle der Massen erklärt.
Obwohl ich mit Ludwig wegen seines Konservatismus auch Probleme habe, muss ihm im Roman zugestehen: er glaubt an Gott, alldiweil die Herrschenden der Logik Franklins zufolge einen Gott predigen sollen, an den sie selbst nicht glauben. Das ist eine Entwicklung from bad to worse!

Bei den Aristokraten gibt es im Bezug auf Franklin und die Neuengland-Staaten zwei Grundhaltungen:

1. Man unterstützt die Amerikaner, um den Briten zu schaden. Das ist die Politik Frankreichs, zu der auch Spanien (wo damals Bourbonen regierten) sein Einverständnis gibt, IMHO weil Spanien und Englang seit dem 16. Jahrhundert Erzfeinde sind. Bei diesen machtpolitischen Erwägungen spielen Sympathien für die Amerikaner keine Rolle. Für Ludwig sind das "Rebellen", mit denen er sich nur einlässt, damit Englang nicht die Kontrolle über die Neuengland-Staaten wiedererlangt.

2. Die aufgeklärten Aristokraten haben ungeachtet ideologischer Gemeinsamkeiten mit den Amerikanern eine Haltung, die ich mit diesen Worten wiedergeben: Die Republik der Amerikaner wird im Chaos enden! Für Josef II. ist "aufgeklärter Despotismus" die beste Regierungsform, naja :rolleyes2:

Die Frage ist nun, ob die Aristokraten ungeachtet eigener Fehler und Versanges nicht Recht hatten. Ich sehe das im Buch auch am Folgendem: Anno 1776 machten die Bürgerlichen den Aristokraten Vorwürfe darüber, wie die sie schikanierten, drangsalierten, demütigten und alles taten, um sie bei Geschäften bankrott gehen zu lassen. Ein Beispiel dafür ist der Konflikt des Bürgerlichen Beaumarchais mit dem Aristokraten Lenormont.
Anno 2010 wenden die Bürgerlichen all die Tricks an, die sie Anno 1776 den Aristokraten vorgeworfen haben und haben dabei die Welt in so ein Chaos gestürzt, dass ich den Aristokraten Recht geben muss, die damals vor den Folgen republikanischer Bestrebungen gewarnt haben.
Der Logik von "Die Füchse im Weinberg" zufolge müsste man heute mit den Bürgerlichen, Abgeordneten, Kanzlern und Präsidenten das machen, was die 1776 ff. mit Königen, Kaisern, Adligen und Klerikern gemacht haben: sie zu Menschenschindern, obskurantistischen Dummschwätzern und überlebten Parasiten erklären und beseitigen. Damit ist das von den Aristokraten vorhergesagte Chaos auch auf der geistigen Ebene gegeben. Denn das Bürgertum hat Anno 1776 ff. seinen Machtanspruch mit einer Ideologie - Aufklärung - formuliert, deren Prämissen zufolge es den Aristokraten subito auf dem Müllhaufen der Geschichte folgen muss.

Dass eine republikanische Ordnung allen Menschen ein gutes Leben gibt, glaube ich nicht mehr. Angefangen von den Römern waren Republikern immer wieder Systeme, die sich durch Aggression nach Außen und ständigen Zank unter den Eliten nach Innen auszeichneten. Die Römer haben mit ihrer res publica das Mittelmeer terrorisiert und daneben auch noch Bürgerkriege geführt. Die Amis haben sich auch einen mörderischen Bürgerkrieg gegönnt, ehe sie sich daran machten, die Welt zu terrorisieren (wobei natürlich immer die Anderen schuld sind). Die französische Repbulik hat sich ab Ende des 19. Jahrhudnerts ein riesiges Raubreich in Afrika zugelegt und die Franzosen numerieren ihre Republiken, weil sie nicht sehr lange halten. Bei der iranischen Republik reichte es nicht dazu, die Welt zu terrorisieren - also terrorisieren die Mullah-Klüngel, die da seit 1980 an der Macht sind, nur das eigene Volk. Nach dem Schah from bad to worse!
Von Monarchie halte ich auch nichts. Eher eine Demokratie ohne alles durchdringede Parteien, religiöse Klüngel und Netzwerke ("Kirchen") und krebsartig wuchernde Gremien und Institutionen, wo im Zweifelsfall jeder die Verantwortung auf den anderen schiebt.
 
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Mein persönlicher Eindruck nach knapp 600 Seiten: Benjamin Franklin hat bei mir verschissen :mad: weil ich es degoutant finde, wie er im Roman die Religion zu einem nützlichen Werkzeug zur Kontrolle der Massen erklärt.
Obwohl ich mit Ludwig wegen seines Konservatismus auch Probleme habe, muss ihm im Roman zugestehen: er glaubt an Gott, alldiweil die Herrschenden der Logik Franklins zufolge einen Gott predigen sollen, an den sie selbst nicht glauben. Das ist eine Entwicklung from bad to worse!

Es ist nur ein Roman. Als Freimaurer wird sich Franklin nicht tatsächlich für die Religion eingesetzt haben.

Auch würde das nicht zur Person Franklins passen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Franklin

Da wird zwar auch das Buch erwähnt, dass du gerade gelesen hast, aber das gezeichnete Bild kann irgendwie nicht stimmen.

Über Franklin wurde in Anspielung auf seine Erfindung des Blitzableiters und der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung gesagt: „eripuit caelo fulmen, sceptrumque tyrannis“ – Er entriss dem Himmel den Blitz und das Zepter den Tyrannen.

wählte man ihn zum ersten Präsidenten der Gesellschaft gegen Sklaverei.

So ein Mensch würde sich nicht dafür einsetzen, die Menschen mit Hilfe der Religion zu kontrollieren.
 

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