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"Projekt Zwangsarbeit" - Gegenwart und Zukunft moderner Ökonomie

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"Projekt Zwangsarbeit" - Gegenwart und Zukunft moderner Ökonomie

"Das ist des Pudels Kern" sagte in Goethes Faust, als sich der Pudel in den Teufel verwandelte. Eine recht unangenehme Überraschung. Von Goethe wird überliefert, dass er bei einer Hofschranze in Ungnade fiel, weil er Ärger mit ihrem Pudel hatte und aus Rache den Pudel im Faust zum Teufel machte.

Des Pudels Kern outet sich auch im Falle der Entwicklung des "Arbeitsbegriffs" in der Moderne als recht teuflisch. In vortechnischen Gesellschaften leideten die Menschen daran, dass sie neben ein bisschen Wind- und Wasserkraft (Mühlen) nur ihre eigene Muskelkraft und die von Tieren zur Verfügung hatte. Irgendwelche afrikanischen Frauen stampfen dann den lieben langen Tag Getreide zu Mehl und im Schwarzwaldhof anno 1904 rackerten sie auch und eine falsch berechnete Heuernte brachte sie in die Bredouille.

Der Übergang zu einer technischen Zivilisation, wo Motoren als Kraftquelle dienen und Maschinen stumpfsinnige Arbeiten übernehmen, hat da viele Vorteile. Im Universum nebenan, wo sie im eingeschneiten Terrania gerade 20 Jahre Solares Imperium feiern und das terranische Parlament einen weltweit gültigen Mindestlohn beschlossen hat :mad: !

In unserer Welt haben nicht so seht Technik und Maschinen per se, sondern ihr systematischer Missbrauch durch eine bigotte Kamarilla in den letzten 250 Jahren Folgendes bewirkt:

1. Arbeit wurde immer mehr in "Module" aufgespalten, die auch niedrig qualifizierten Menschen übernehmen konnten. Für diesen Prozess der Aufteilung eines komplexen Handwerkes in einzelne Arbeitsschritte steht der Name Babbage, ferner ist noch Taylor zu nennen.
So brauchen die Herrschenden keine teuren, seltenen und zickigen Handwerker mehr, sondern die Arbeit kann jeder tun und der Arbeiter ist somit austauschbar.

2. Von einem Bauern, dem im Mittelalter irgendeinen sinnlose Strafe aufgedrückt wurde, wird überliefert, ihm sei die Strafe eigentlich egal, er habe ja seine Arbeit. Seine Arbeit war für ihn demzufolge Teil eines Sinnzusammenhanges bzw. sinnstiftend. Dieser Sinn ist in der Moderne mehr oder weniger verloren gegangen. Die Arbeit ist nur noch der "Job", den man machen muss, um zu leben. Der mittelalterliche Bauer hat für seine Arbeit im ganzen Leben vielleicht kein Geld bekommen und war trotzdem zufrieden. Wir arbeiten für Geld und es reicht nie! IMHO liegt das nicht nur an zu niedrigen Einkommen, sondern auch daran, dass die Lohnarbeit den Sinnzusammenhang nicht ersetzen kann. Mit Geld und Konsum wollen wir den fehlenden Sinn ersetzen und können es nicht.

3. "Der Mensch ist faul!" Diesem Satz eines Bekannten vor mir zufolge bin ich kein Mensch. Denn mit erzwungener Untätigkeit könnte mich mich eher über kurz als über lang in den Wahnsinn treiben. Obwohl ich Putzen hasse, würde ich, wenn ich nichts anderes zu tun hätte, irgendwann aus schierer Langeweile sogar damit anfangen. Es muss nur einen Sinn haben und der fehlt.
So sagte ein anderer Bekannter zu mir: "Warum soll ich meine Wohnung sauber halten, wenn mein Leben keinen Sinn hat?" Mit Sinnentzug macht man die Menschen, die von Natur aus tätig sein wollen, faul und apathisch. So wird von der DDR gesagt, dass die Menschen sich da nicht um ihre Häuser kümmerte, weil sie ihnen nicht gehörten und sie nicht über sie bestimmen konnten. Das ist eine Einsicht, die nicht nur für die DDR gilt!
Wozu soll man für ein Leben arbeiten, über das man nicht bestimmen kann?

Aber mit den Weisheiten der Herrschenden kommt es noch besser als in 3. Da gibt nämlich die Weisheiten für die Oben und die Weisheiten für die unten :)

4. "Wer arbeitet, ist selbst schuld!" ist die Weisheit der Herrschenden. Das sagen sie natürlich nicht so offen, aber so ist es. Schließlich hat sich in den meisten hierarichen und tyrannischen Gesellschaften die Oberschicht nicht die Hände schmutzig gemacht. Warum sollen sie das heute tun?
Allerdings waren frühere Aristokraten diesbezüglich zumindest ehrlich. Heute müssen sie so tun, als ob sie "den Karren ziehen", das Arbeiten erfunden hätten und für das faule Pack da unten mitschuften. Wobei das alles nur Schauspielerei, schlimmstenfalls Psychoterror ist.
"Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", wird dagegen der Unterschicht gepredigt. So falsch ist der Satz nicht, ich würde ihn nur gern auch auf die Oberschicht und unsere "Eliten" angewendet sehen. Dann würde da der Schwabbel noch vor dem Schnee schmelzen.
Wer als Proll auf der faulen Haut liegt, ist den Herrschenden aber nur dadurch ein Dorn im Auge, dass er sich ein Verhalten anmaßt, das nur ihnen zusteht. Wo kommen wir dahin, wenn die Unterschichten ebenso dumm und bräsig sind wie ihre Herren?

5. "Projekt Zwangsarbeit" Bei mir war mit der "Moderne" und dem "Fortschritt" Feierabend, als ich im Internet las, dass nach der Unabhängigkeit der USA die Sklaverei dort nicht weniger wurde, sondern zunahm. Vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs waren meines Wissens vier Millionen Menschen - ein Drittel der Bevölkerung - in den USA Sklaven.
Bestenfalls herrschten dort Zustände wie im republikanischem Rom 2000 Jahre vorher - an der Spitze ein Senat und eine Oligarchie, dann Bürger und freie Plebejer und ganz unten jede Menge Sklaven.
Schlimmstenfalls haben die USA mit der massenhaften Sklaverei jenes System von Zwangsarbeit vorweggenommen, das die Nazis in Deutschland und Europa etablieren wollten. Wobei das Zwangsarbeiter-System der Nazis sehr wohl der modernen Systemlogik entsprach. Nur haben die Herren in Braun es ein wenig übertrieben und dabei unfreiwillig nicht nur sich selbst, sondern ihre ganze Epoche bloß gestellt :rolleyes2:

6. "Arbeit schändet!" Der Bauer im Mittelalter sah auch angesichts kärglicher materieller Ergebnisse in seiner Arbeit auch die Quelle seiner Würde. Das hat sich in der Moderne umgekehrt: Arbeit bedeutet nur zu oft Entwürdigung, Entbehrung, Unsicherung. Beim mittelalterlichen Bauern kam die Unsicherheit aus der Natur, aus Missernten und Hungersnöten. Für das Wetter konnte außer dem lieben Gott niemand etwas, mag er sich da gedacht haben. Eine Missernte brachte alle in die Bredouille, selbst die Herrschenden.
In der Moderne dagegen ist die Unsicherheit nicht vom lieben Gott, sondern höchst irdischen Instanzen erzeugt, sei es aus schierer Dummheit, sei es aus böswilligen Vorsatz. Man wird schon wegen "Versorgungsmentalität" geschmäht, wenn man klare Verhältnisse haben will.
Dass Maschinen immer mehr Arbeit übernehmen, macht die Menschen, die von ihrer Arbeitskraft leben sollen, aber nicht können, erst recht zum Opfer böswillger und bösartiger Willkür.
Sie werden geschmäht, wenn sie Schwindel durchschauen und sich der Zwangarbeit - nicht der Arbeit per se! - verweigern. Sie werden verhöhnt und verarscht, wenn sie "arbeiten gehen" und das Geld nicht zum Leben reicht.

7. "Grüße von der Höllenwelt" Mit der Globalisierung hat sich zudem Folgendes zugetragen: Es gibt auf der ganzen Welt ca. 500 bis 1000 Millionen Arbeitsplätze, von denen Menschen halbwegs leben könnten. Dem stehen 2000 bis 4000 Millionen Menschen gegenüber, die auf ihre Arbeitskraft angewiesen sind. Demzufolge kommen auf jeden Arbeitsplatz zwischen 2 und 8 Bewerber - eine totale Schieflage am globalen Arbeitsmarkt. In einer Marktwirtschaft erklärt schon dass zu großen Teilen, warum es mit der Arbeit nichts wird. Jeder Erwerbstätige ist jederzeit ersetzbar und hat dadurch wenig Verhandlungsmacht gegenüber seinem "Arbeitgeber". Jeder Erwerbstätige muss damit rechnen, nur einen Teil seines Lebens arbeiten zu können und die übrige Zeit auf Transferleistungen oder Erwerbseinkommen unter dem Existenzminimum angewiesen zu sein.

8. "Von Pfründe zu Pfründe!" Der Begriff "Pfründe" wird mit Klerikern des Mittelalters verbunden. Sie bekamen eine für damalige Verhältnisse gut dotierte Stelle, für die sie nicht viel tun mussten. Angesichts der materillen Möglichkeiten unserer Zeit passt "Pfründe" aber viel mehr in die Moderne. Denn der o. g. Entwürdigung und Zersetzung der Arbeit und der gnadenlosen Diffamierung von Menschen, die nur ihre Arbeitskraft haben, steht eine Ausweitung und Formenvielfalt des Pfründenwesens gegenüber, die im Mittelalter undenkbar gewesen wäre.
Natürlich "arbeiten" die modernen Pfründner alle - schließlich leben wir nicht mehr im Mittelalter. Doch wenn man das unter die Lupe nimmt, kommt man zu folgenden Schlüssen:
- ihre Arbeit ist nicht produktiv
- ihre Arbeit ist zwar produktiv, aber sie werden weit über Wert bezahlt
- würde man ihre Positionen dem globalen Arbeitsmarkt aussetzen, würden sie nur noch ein Bruchteil ihres Salärs bekommen
- sie kassieren auf die eine oder andere Art jene Transferleistungen doppelt und dreifach, die sie ihren Mitmenschen verweigern

9. Die Mittelschichten auch auf der Schlachtbank????

Das BRD-System hat es zu großen Teilen geschafft, den Arbeitern jenen bescheidenen Wohlstand weg zu nehmen, den sie sich nach dem Krieg erarbeitet hatten. Abgesicherte Industriearbeitsplätze werden immer seltener, Lohnarbeit wird de facto im Zeichen von "Niedriglohn" zu Zwangsarbeit.
Ich frage mich nun, ob den Mittelschichten das Gleiche bevorsteht. Schon heute stehen sich Akademiker z. T. schlechter als Facharbeiter. Programmierertätigkeiten, mit denen man vor zehn Jahren noch seine Brötchen verdienen konnte, werden nach Vietnam oder sonst wohin ausgelagert. Wozu soll schließlich außer den modernen Pfründnern jemand in Würde leben können? Auch noch von Arbeit, Pfui :mad: !

10. "Heil Klüngel!"

Der Bauer im Mittelalter hat sich über seine Arbeit verortet. Wenn Industriearbeiter anständig behandelt wurden, haben sie sich in der Regel auch über ihre Arbeit verortet. Da gibt es tragische Geschichten von Leuten, die ihre Arbeit verloren haben und auch noch danach jeden Morgen früh aufgestanden und losgegangen sind - als ob sie noch arbeiten würden.
Verortung durch Arbeit war trotz "keine Lust" und "blau machen" also sehr wichtig. Nach dem Kriege glaubten die Menschen, es mit "schuften" auch zu etwas bringen zu können.
Wie bringt man es heute zu etwas? Manche glauben ansgesichts guter eigener Erfahrungen da noch immer an die Erwerbsarbeit als Sinnstifter und Lebensunterhalt. Die haben aber auch Glück gehabt. Bei anderen funktioniert es damit nicht mehr.
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es außer irgendeiner Form von "Klüngel", "Mafia", "Netzwerk" ... keine sichere Form der Verortung mehr gibt. Ist man im richtigen Klüngel und "hat Beziehungen", mag es auch mit der Erwerbsarbeit funktionieren. Aber eher nach einem Prinzip, das ein Sozialwissenschaftler als "Verteilungskoalition" bezeichnete. Die Angehörigen einer Verteilungskoalition teilen die lukrativen Posten unter sich auf. Wer nicht dazu gehört, geht leer aus. Der Autor erklärte die Wirkungsweise anhand der Arbeitsmigration arabischer Frauen: gebildete und qualifizierte Frauen hatten in ihren Heimatländern keine Chance, weil sie nicht zu den alles regelnden Verteilungskoalitionen gehörten. Deshalb gingen sie in andere Staaten, wo noch so viel Arbeitskräftemangel herrschte, dass sie auch ohne Beziehungen einen Job bekamen. Aber IMHO ist das ein allgemein gültiges Prinzip: herrscht Arbeitskräftemangel, braucht man keine Beziehungen. Besteht ein systemimmanentes Überangebot an Arbeitskräften, läuft vieles oder alles über Verteilungskoalitionen.
 
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