Gewagte Vorschläge/Thesen, wie ich meine, findet man in einem Artikel im focus aus dem Jahre 2007:
<<[...]Hans J. Markowitsch, Hirnforscher und Professor für Physiologische Psychologie an der Universität Bielefeld, und Werner Siefer, Diplom-Biologe und Wissenschaftsredakteur, haben faszinierende Fälle dazu zusammengetragen, wie die Schädigung mancher Regionen des Gehirns, Fehlfunktionen des Stoffwechsels, aus der Balance geratene Botenstoffe, aber auch Vernachlässigung und Gewalt zu Persönlichkeitsveränderungen führen können, deren Symptome bis zum Serienmord gehen.
Für die Rechtsprechung, so fordern die Autoren, müssten diese Erkenntnisse Konsequenzen haben, denn sie stellten das Prinzip der moralischen Schuld grundsätzlich in Frage.
Folgt man den zahlreichen Fällen und Studien, mit denen die Autoren ihre Thesen belegen, müsste unsere Gesellschaft grundlegend anders mit Verbrechern umgehen. Sie müsste bei Straffälligen erst einmal ermessen, ob sie nicht krank sind, bis das Gegenteil bewiesen ist. Straffälliggewordene nicht in Untersuchungshaft, sondern in die Neurologie bringen, wo ihr Gehirn nach modernsten wissenschaftlichen Methoden untersucht und gescannt wird. Heilbare Anomalien behandeln. Und den Übeltäter wieder als geheilt entlassen, wo es eine Chance gibt, ohne dass er seine Tat gesühnt hat. Eine humane Gesellschaft, so argumentieren die Autoren, müsse sich das leisten. [...] <<
Also eigentlich kann man sich dann die Strafvollzugsanstalten schenken. Denn irgendetwas findet sich immer, warum jemand als "nicht ganz dicht" und deshalb als "nicht schuldfähig" gemacht werden kann?
<<Die Botschaft, die hinter dieser Forderung steht, klingt verheißungsvoll: Graphen statt Bauchgefühl, Computerbilder statt Erfahrungsberichte, Fakten statt Annahmen, die unbestechliche Maschine anstatt des leicht zu täuschenden Menschen im Zeugenstand auf der Suche nach der Wahrheit. Endlich eine gerechtere Welt auf dem Weg zu einer Welt ohne Verbrechen. Und doch bleibt ein vages Gefühl des Unbehagens. Führen doch die Autoren den überzeugenden Beweis über die Unzulänglichkeit des Menschen im Rechtssystem, so können sie auch nicht verleugnen, dass hinter jeder noch so exakten Maschine immer auch ein Mensch steht, der sie bedient und ihre Ergebnisse interpretiert und möglicherweise sogar manipuliert. Auch diese Menschen können auf der Linie zwischen Gut und Böse jonglieren, die wie Alexander Solschnizyn sagt, „mitten durchs Menschenherz“ verläuft. <<
Tatort Gehirn: Das „Böse“ im Menschen <<
http://www.focus.de/wissen/mensch/psychologie/tid-7121/tatort-gehirn_aid_69792.html