Dein Einwand ist berechtigt. Die Schuldfrage ist für mich von sekundärer Bedeutung, da sie eine ahistorische Kategorie ist. Daher schrieb ich, dass Schuld eine moralische und religiöse Kategorie ist. Sie ist aber auch eine juristische. Man hat zum Beispiel in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg große Anstrengungen unternommen um die eigene "Schuld" am Kriegsausbruch 1914 klein zu halten und so sind viele Bände mit Dokumenten zur Julikrise 1914 veröffentlicht worden. Man wollte im übertragenen Sinne den Ersten Weltkrieg auf dem Schlachtfeld der Druckerpresse gewinnen. Die anderen Länder haben dann ihrerseits nachgezogen und Hektatonnen von Publikatioen finanziert. Selbstverständlich sind alle diese Weißbücher mit Vorsicht zu genießen und spiegeln den Standpunkt des jeweiligen Landes wieder. Im Grunde ist das ein unproduktives Unterfangen und zeigen nur, dass die Diskussion von "Schuld" emonational aufgeladen ist.
Daher ist es m.M.n. besser, Anstelle von "Schuld" von Verantwortung zu sprechen.
Für unsere Fragestellung wäre dann zu beurteilen, welche Verantwortung Japan und die USA tragen. Ich versuche eine grobe Antwort zu geben. Japan hat ohne Kriegserklärung in Pearl Habor zugeschlagen. Wer den ersten Schuß abgibt, muss wichtige Gründe haben, um seine Handeln zu legitimieren. Japan sah sich durch das US-Embargo gezwungen, seine Expansion in Asien einzuschränken und sich mit den USA zu verständigen; oder den Zugang auf die Ressourcen für die Fortführung der Expansion in Asien mit Gewalt zu erzwingen. Da die japanische Regierung den Weg der Gewalt beschritt, trägt sie die Verantwortung für Pearl Habor, für die Taten der Einheit 731 und die Kriegsniederlage, die sinnlose Opferung der eigenen Soldaten im Rahmen einer in meinen unsinnigen Strategie; die Besetzung des eigenen Mutterlandes durch die Feindmächte und die Bombardierung Tokyos, die Abwürfe der Atombomben auf Nagasaki und Hiroschima mag man für unmoralisch und verwerflich halten, doch können diese "Untaten" der Amerikaner, nicht für eine Umverteilung der Schuld verwendet werden. Wenn man die Memoiren des japanischen Chefstrategen Yamamoto liest, der übrigens die amerikanische Überlegenheit auf wirtschaftlichen Gebiet aus eigener Anschauung kannte, wird deutlich dass die japanische Regierung um "Alles-oder-Nichts" spielte. Was die amerikanische Verantwortung angeht, so geht meine Meinung dahin, dass die Roosevelt-Regierung durch die Entschlüsselung des japanischen Code über die Absichten und Schritte Tokyos im Voraus unterrichtet war und daher die Verhandlungen mit den Japanern so führte, dass Japan vor der Wahl stand: entweder seine Expansionspolitik aufzugeben oder den Kriegszustand herbeizuführen. Japan, so kann man sagen, ist also "Opfer" eines geschickten politisch-diplomatischen Spiels geworden. Die Vereinigten Staaten überließen Japan die Wahl, und in der Wahl war Japan frei (wohl hatten beide Möglichkeiten weitreichende Konsequenzen für die japanische Politik)und es bestanden keine ausreichende Gründe, die seinen Offensivschlag rechtfertigen können; im Gegenteil: Japan führte schon seit einigen Jahren in China Krieg. Daher kommt Japan die größte Verantwortung zu. Was die USA betrifft, so bewegen sich diese Verhandlungen im Rahmen traditioneller Politik; wer einen Krieg herbeiführt, muss wissen wie er endet. Die amerikanische Politik hatte einen Hebel gefunden, Japan zu einer Entscheidung zu zwingen und im Falle des Krieges konnten die Vereinigten Staaten auf ihre wirtschaftliche Stärke vertrauen. Daher ist m.M.n. die Verantwortung der USA geringer anzusetzen. Andere Gesichtspunkte, wie die Behandlung feindlicher Ausländer und eigener Bürger japanischer Abstammung, sind gesondert zu betrachten und das gilt (möglicherweise) besonders für die Opferung der eigen Flotte in Pearl Habor um den Kriegsausbruch zu legitimieren.