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etzt radikalisieren sich die Impfgegner
Stand: 04:44 Uhr | Lesedauer: 6 Minuten
Von Kristian Frigelj, Matthias Kamann
Nachdem bereits Biontech und Pfizer positive Daten für ihren Corona-Impfstoff vermeldet hatten, zieht jetzt auch der US-Konzern Moderna nach. Ihr RNA-Impfstoff habe demnach eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent.
Quelle: WELT/Dirk Schommertz
Die großen Fortschritte bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen mobilisieren die Impfgegner in Deutschland. Jetzt mehren sich in der Szene Zweifel an der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit des Staats. Auch die AfD mischt munter mit.
Die Frau aus Bayern spricht am Telefon mit freundlicher und sanfter Stimme, obwohl sie eine innere Wut anzutreiben scheint. Es werde jetzt ein Impfstoff „durchgepeitscht gegen eine Pandemie, die keine ist“, klagt Ria Mezger. Das sei eine „Verdummung des Volkes“.
Mezger betreibt einen „impfkritischen Stammtisch“ in Süddeutschland. Dort wachse die Sorge, so erzählt sie, „dass uns Zwangsimpfungen aufgezwungen werden“. Sie spricht so ähnlich, wie man es auf den Anti-Corona- und Querdenken-Demos immer wieder hört, und bedient auch das Verschwörungsnarrativ, dass der US-Milliardär Bill Gates und die Rothschild-Dynastie hinter allem steckten.
Impfgegner gibt es schon lange. Vor einigen Jahren wurden sie sehr laut, als es um Impfungen gegen die Masern ging. Sie behaupten, dass Impfstoffe der Gesundheit schadeten und sogar tödlich seien. Vielfach sind sie mit der Heilpraktiker- und Homöopathie-Szene verbunden. Und ihre Ansichten sind weiter verbreitet, als man annehmen könnte.
Jetzt stachelt sie an, dass eine Zulassung von Impfstoffen gegen das Coronavirus in greifbare Nähe rückt. Auf einschlägigen Internet-Seiten wird beleglos gemutmaßt, dass dabei die Bürger über die Häufigkeit und Schwere von Nebenwirkungen im Unklaren gelassen würden.
Positionspapier
Im deutschen Impfplan fehlt ein zentrales Eingeständnis
Auch wird es als brandgefährlich beschworen, dass der Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech wohl Nano-Partikel enthalte. Dass eine hohe Konzentration solcher Partikel in der Luft abgasbelasteter Gegenden ein gesundheitliches Risiko bedeuten kann, wird in jenem Text umstandslos auf ein paar Milliliter Impfstoff übertragen.
Andeutungen über angeblich gewaltige wirtschaftliche Interessen hinter der Impfstoff-Entwicklung fehlen fast nirgends. Zuweilen heißt es, dass Impfstoffe nicht nötig seien, weil man Corona homöopathisch behandeln könne.
„Grundsätzliche Verachtung studienbasierter Medizin“
Ein langjähriger Kenner des Impfgegner-Milieus ist Christian Lübbers, Hals-Nasen-Ohrenarzt im oberbayerischen Weilheim. Aus eigener Praxis-Erfahrung mit homöopathischen Fehlbehandlungen von Patienten konfrontiert, klärt Lübbers in der Öffentlichkeit über falsche Heilsversprechen der Homöopathie auf und setzt sich für eine evidenzbasierte, naturwissenschaftlich fundierte Medizin ein. Hierbei hat er immer wieder auch mit ideologisch motivierten Impfgegnern zu tun.
Angebliche Corona-Therapie
Die tödliche Gefahr des deutschen Homöopathie-Glaubens
In deren Kreisen herrsche „eine vornehmlich egoistische und anekdotische Betrachtung“ vor, beobachtet Lübbers. „Erzählt werden immerzu Geschichten, wo irgendwann mal irgendein Globuli irgendjemandem geholfen habe. Eine fehlgedeutete oder zufällige Korrelation wird dann als Beweis für eine angebliche Wirksamkeit angesehen, während die einhellige Position der Wissenschaft zur Placebo-Wirkung von homöopathischen Mitteln abgetan wird.“
Dieses Muster werde anlog auf Impfungen angewandt: Jede mutmaßlich empfundene Nebenwirkung einer Impfung aus früheren Zeiten spreche grundsätzlich gegen das Impfen, während dessen Nutzen für die Gesamtbevölkerung als nicht bewiesen hingestellt werde.
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„Besonders gefährlich ist diese Kombination aus retrospektiv-anekdotischem Blick und grundsätzlicher Verachtung einer studienbasierten Medizin dann, wenn es wie jetzt um die Entwicklung und Erprobung eines Impfstoffes gegen das Coronavirus geht“, sagt Lübbers. „Phase III-Studien wird die Aussagekraft abgesprochen, während behauptete Einzelfälle aus ganz anderen Zusammenhängen schlagende Gegenbeweise sein sollen.“
Hinzu komme die grundsätzliche Verkennung naturwissenschaftlicher Methodik. „Dass Wissenschaft immerzu mit Unwägbarkeiten arbeiten muss und keine letztgültigen Wahrheiten präsentieren kann, wird zum Anlass genommen, die Wissenschaft als solche anzuzweifeln. Wenn in der medizinischen Forschung das wissenschaftlich Gebotene gemacht wird und auf noch vorhandene Wissenslücken oder nicht abgeschlossene Testreihen bei Corona-Impfstoffen hingewiesen wird, folgern jene selbst ernannten Medizin-Kritiker daraus sofort, dass die Impfung keine Lösung sei und den Menschen schaden werde.“
https://www.welt.de/politik/deutsch...Jetzt-radikalisieren-sich-die-Impfgegner.html
DIE WELT (
https://www.welt.de/politik/deutschland/plus220137816/Querdenken-Laut-wuetend-gefaehrlich.html)
„
Querdenken“: Laut, wütend – gefährlich? - WELT
Es ist nur eine kleine Minderheit der Deutschen, die der Anti-Corona-Bewegung folgt, aber ihr Protest wird immer lauter. Politiker und Verfassungsschützer sind besorgt. Wer sind die führen