So langsam kommen wir hin. Die Wahrheit besteht aus eben diesen verifizierbaren Fakten. Es gibt sie also doch.
Eben nicht, das ist ja das vertrackte. Es ist allein schon das vertrackte, dass Wahrheit erstmal (genauso wie die Art und Messung des Wirtschaftswachstums) keiner einheitlichen Definition unterliegt, sondern unterschiedliche Ansätze hat.
Ein sehr wissenschaftlich orientierter Typus wie ich, geht wohl am ehesten von einem logisch-empirischen Ansatz (also einer Bildtheorie) aus. Für mich ist Wahrheit damit letztlich die Übereinstimmung der logischen Struktur des theoretischen Hintergrundes mit dem von ihm abgebildeten Sachverhalt (in der Regel empirisch getestet). Damit ist eine absolute Wahrheit aber nicht einführbar sondern höchstens eine relative Wahrheit mit einer geringen Irrtumswahrscheinlichkeit (bei Annahme eines vollständigen theoretischen Hintergrundes).
Die Varianz dessen, was Wahrheit ist, ist selbst bei Übereinstimmung des logisch-empirischen Bildansatzes zwangsweise sehr groß.
Die Arbeit eines seriösen Journalisten besteht in erster Linie darin, die o.a. Fakten zu verifizieren. Auch Kontext kann wahr und falsch sein. Auch Kontext kann verifiziert werden. Eine Bewertung gehört nicht in einen Bericht. Die kannst Du in ein Studie packen, einen Kommentar oder von mir aus auch in ein Glosse. Aber eben nicht in einen Bericht.
Die Verifikation ist der erste Schritt und wird zumindest meistens recht gut gemacht, vor allem wenn man bedenkt, dass Journalismus gerade nicht Wissenschaft ist.
Kontext ist nicht notwendigerweise als wahr oder falsch darstellbar. Wirtschaft ist dafür das perfekte Beispiel. Was im Kontext wahr ist oder nicht kommt von dem oben erläuterten Modell her. Diese sind aber da sie unter anderem moralische Axiome enthalten nur auf ihre innere Kohärenz prüfbar, nicht auf ihren objektiven Wahrheitsgehalt.
Kontext ist immer eine Bewertung, was sich schon daraus ergibt, dass es eine große Menge an verschiedenen Kontexten zu den meisten Themen gibt und der Journalist kein Buch zu jedem Tagesthema oder fortlaufend sich entwickelnden Thema schreiben kann. In der Priorisierung liegt daher automatisch eine Wertung.
Ich werde jetzt sicher nicht ein Thema durchforsten, das mich nicht interessiert, nur um Dir ein Beispiel zu liefern.
War auch nicht erwartbar gewesen, dass du ein empirisch prüfbares Beispiel bringst. Dann könnte man ja direkt die „Wahrheit“ deiner Aussage prüfen.
Danach fragte ich Dich nicht. Das Beispiel stellt in überspitzter Form einen Sachverhalt in drei Varianten vor, deren jeweilige Kernaussage in der Nachricht nicht vorhanden ist. Die Aussagen unterscheiden sich gewaltig, obwohl der Kern (die Nachricht) identisch ist.
Dein Beispiel ist eine hervorragende Vermeidung von Wahrheit durch pure Fiktion und damot ohne Wert.
Hier hat mir einer die Arbeit abgenommen:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=44657
Der Artikel, der dir angeblich die Arbeit abgenommen hat, verstößt radikal gegen das was du als qualitative Arbeit darstellst. Anstelle reiner Faktenberichterstattung (also dem Überlassen von Wertung und Urteil gen Leser), fallen vorverurteilende Sätze, die ausschließlich werten, bevor Fakten präsentiert wurden.
Siehe folgende Beispiele:
„Ein wirklich verheerendes Beispiel für solch schädliche journalistische Routine ist fast täglich in der Berichterstattung über den Nahen Osten zu beklagen. Es geht um die Hamas. Nein, in diesem Text geht es nicht um eine Ehrenrettung der Hamas. Sie hat in Gaza ein islamistisches Regime errichtet, das viele Einwohner nicht befürworten.“
„Wer hier „radikal“ handelt, liegt eigentlich auf der Hand. Von einem radikal-zionistischen israelischen Militär, das mal eben Dutzende Palästinenser erschießt, ist indessen niemals die Rede.“
Beide Absätze strotzen vor Vorverurteilungen und wertenden Worten wie verheerend oder radikal-zionistisch. Die angebliche Analyse, was guter Journalismus sein soll, ist nichts anderes als einseitig vorgefertigte Meinungsmache.