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"Sozialismus, Faschismus oder Verarschung" - was war und ist der Ostblock wirklich?
Gerade kam in den Radionachrichten folgende Meldung:
Der "Gasstreit" zwischen Russland und der Ukraine ist noch immer nicht gelöst. Ein Abkommen zur Beilegung des Streites wurde wegen eines handschriftlichen Zusatzes für ungültig erklärt. Wegen der gesperrten Gasleitungen können seit Tagen viele Haushalte in Südosteuropa nicht heizen - und das angesichts einer Kältewelle! Im Fernsehen wurden Bilder aus Sarajevo gezeigt, wo die Menschen deshalb nach Elektroheizgeräten anstanden.
Nachtrag: 10.45 ist der Gasstreit laut Radio beigelegt ... wirklich oder nur bis zu den nächsten Nachrichten.
Der Gasstreit ist die jüngste Sumpfblüte auf einem Sumpf, der sich quer durch Eurasien über 10 000 km von Magdeburg bis Wladiwostok erstreckt. Das Gebaren der Leute da, der Zustand des Geisteslebens und von Politik und Wirtschaft werfen die Frage auf, ob da wirklich jemals ernsthaft versucht wurde, der kaputten und korrupten bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft etwas Besseres - "Sozialismus" - entgegen zu stellen.
Ich wage die Behauptung, dass ein ernsthafter Versuch in Sachen Sozialismus auf jeden Fall andere Ergebnisse gehabt hätte.
Ergebnis 1: Erfolg, Weiterbestehen und Weiterentwicklung.
Ergebnis 2: Misserfolg und Scheitern. Ergo Kritik und Aufgabe der zugrunde liegenden Ideologie zugunsten von etwas Anderem. Marx und Lenin in die Tonne treten, Bakunin und Machno hervor holen? Mehr Freiheiten im Sozialismus zulassen? Mit Formen nicht-staatlicher Unternehmen experimentieren? Sich an den sozialdemokratischen Staaten in Skandinavien und Mitteleuropa orientieren? Aus Russland eine Art Großschweden machen?
Da wäre IMHO vieles möglich gewesen, wenn man an das Projekt Sozialismus unter der Prämisse einer menschenwürdigen Gesellschaft herangetreten wäre. Den Staatssozialismus zugunsten einer menschenwürdigen Gesellschaft aufgeben halt.
Ergebnis 3: Misserfolg und Scheitern. Die Aufgabe des Staatssozialismus und gleichermaßen die Aufgabe des Projektes einer menschenwürdigen Gesellschaft. Es wurden nicht "andere Formen" gewählt, etwa ein Sozialdemokratismus wie in Skandinavien, sondern die reaktionärtsten und rückständigsten Spielarten der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft wieder aus der Mottenkiste geholt.
Eine "Entwicklung" vom Sozialismus zum alten und schlechten Kapitalismus wirft die Frage auf, wie ernst der Sozialismus jemals gemeint war. In einem anderen Forum schrieb jemand, dass schon Stalin eine Art Faschismus installiert hatte. Nun ja, den nannte selbst sein Scherge Chruschtschow einen Verbrecher.
Für mich stellt sich der real existierende Sozialismus so dar:
1. Es gab eine dünne Schicht fortschrittlicher und humanistischer Ideen etwa im Sozialsystem und der Bildung. Die zeigten auch gewisse Erfolge in der Gesellschaft. Oder in der Raumfahrt, wo die SU lange die Nase vorn hatte.
In der DDR führte der Humanismus immerhin 1968 zur Abschaffung des Paragraphen 175 und die sowjetische SF hatte durchaus schöne Visionen einer lebenswerten Zukunft entwickelt. Aber etwa in Rumänien war da nach '45 ein System entstanden, das sich vom faschistischen System vor dem Krieg kaum unterschied.
2. Im Kern gab es einen alles erdrückenden Etatismus. Ein System, wo der Staat zugleich Unternehmer, Gewerkschafter und Arbeitgeber, Hauswirt und Vermieter, Bauer, Gastwirt und Ladenbesitzer war. Und zwar nur der Staat.
3. Ergänzend zum Etatismus einen wahnhaften Autoritarismus, der die Menschen zu Lüge und Heuchelei erzog. Soweit ich es überblicken konnte, geriten gerade diejenigen in Gegensatz zum System, die aus dem Sozialismus "was machen" wollten. Auch und gerade konstruktive Kritik galt als Beleidigung und Hochverrat.
So vergraulten die Apparatschiks im Osten irgendwann auch und gerade die Linken. Einerseits war Sozialismus die Staatsideologie, andererseits landete jemand, der das Ernst nahm, unweigerlich in der inneren Emigration oder dem Westen, im Bautzen oder dem Gulag.
4. Das führte IMHO zum Entstehen einer Schicht aus Nomenklatura und Kleinbürgern, die mehr oder weniger faschistisch, faschistoid oder kleinbürgerlich-reaktionär war. Das Spektrum geht so von Frau Merkel bis zu jenem rassistischen Mob, der nach der Wende Pogrome an Ausländern veranstaltete. Diese Schicht und nicht die eigentlichen Dissidenten gibt heute in den Transformationsländern den Ton an. Das System hat sich nicht wirklich gewandelt, sondern nur die Maske fallen lassen. Der Humanismus war den Apparatschiks eh suspekt und fern und die Staatswirtschaft war zur Selbstbedienung nur begrenzt tauglich. In der SU mussten auch die hohen Schranzen eher zurückhaltend leben - heute lassen die russischen Neureichen die Sau raus.
5. Nicht zu Unrecht kam nach dem Fall der Mauer das Wort von den "Wendehälsen" auf. Weil da immer noch Angehörige des alten Apparates am Werk waren, die nur mal eben die Ideologie gewechselt hatten. Weil da Gestalten und Diskurse am Werk sind, wo vor 1989 dem Staatssozialismus unkritisch gehuldigt wurde. Nach '89 wurde ebenso unkritisch dem Kapitalismus und der bürgerlichen Gesellschaft gerade in ihren reaktionärsten Formen gehuldigt. Viele waren da von den roten Schergen wohl nur insofern verfolgt, als sie nicht an die Bananen rankamen und es mit der Karriere unter Honecker und co. noch nicht so lief.
Wobei mir schon der Gedanke gekommen ist: die haben mit ihrer Dummheit und ihrem Opportunismus den Sozialismus kaputt gemacht und sie werden auch den Kapitalismus kaputt kriegen.
Gerade kam in den Radionachrichten folgende Meldung:
Der "Gasstreit" zwischen Russland und der Ukraine ist noch immer nicht gelöst. Ein Abkommen zur Beilegung des Streites wurde wegen eines handschriftlichen Zusatzes für ungültig erklärt. Wegen der gesperrten Gasleitungen können seit Tagen viele Haushalte in Südosteuropa nicht heizen - und das angesichts einer Kältewelle! Im Fernsehen wurden Bilder aus Sarajevo gezeigt, wo die Menschen deshalb nach Elektroheizgeräten anstanden.
Nachtrag: 10.45 ist der Gasstreit laut Radio beigelegt ... wirklich oder nur bis zu den nächsten Nachrichten.
Der Gasstreit ist die jüngste Sumpfblüte auf einem Sumpf, der sich quer durch Eurasien über 10 000 km von Magdeburg bis Wladiwostok erstreckt. Das Gebaren der Leute da, der Zustand des Geisteslebens und von Politik und Wirtschaft werfen die Frage auf, ob da wirklich jemals ernsthaft versucht wurde, der kaputten und korrupten bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft etwas Besseres - "Sozialismus" - entgegen zu stellen.
Ich wage die Behauptung, dass ein ernsthafter Versuch in Sachen Sozialismus auf jeden Fall andere Ergebnisse gehabt hätte.
Ergebnis 1: Erfolg, Weiterbestehen und Weiterentwicklung.
Ergebnis 2: Misserfolg und Scheitern. Ergo Kritik und Aufgabe der zugrunde liegenden Ideologie zugunsten von etwas Anderem. Marx und Lenin in die Tonne treten, Bakunin und Machno hervor holen? Mehr Freiheiten im Sozialismus zulassen? Mit Formen nicht-staatlicher Unternehmen experimentieren? Sich an den sozialdemokratischen Staaten in Skandinavien und Mitteleuropa orientieren? Aus Russland eine Art Großschweden machen?
Da wäre IMHO vieles möglich gewesen, wenn man an das Projekt Sozialismus unter der Prämisse einer menschenwürdigen Gesellschaft herangetreten wäre. Den Staatssozialismus zugunsten einer menschenwürdigen Gesellschaft aufgeben halt.
Ergebnis 3: Misserfolg und Scheitern. Die Aufgabe des Staatssozialismus und gleichermaßen die Aufgabe des Projektes einer menschenwürdigen Gesellschaft. Es wurden nicht "andere Formen" gewählt, etwa ein Sozialdemokratismus wie in Skandinavien, sondern die reaktionärtsten und rückständigsten Spielarten der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft wieder aus der Mottenkiste geholt.
Eine "Entwicklung" vom Sozialismus zum alten und schlechten Kapitalismus wirft die Frage auf, wie ernst der Sozialismus jemals gemeint war. In einem anderen Forum schrieb jemand, dass schon Stalin eine Art Faschismus installiert hatte. Nun ja, den nannte selbst sein Scherge Chruschtschow einen Verbrecher.
Für mich stellt sich der real existierende Sozialismus so dar:
1. Es gab eine dünne Schicht fortschrittlicher und humanistischer Ideen etwa im Sozialsystem und der Bildung. Die zeigten auch gewisse Erfolge in der Gesellschaft. Oder in der Raumfahrt, wo die SU lange die Nase vorn hatte.
In der DDR führte der Humanismus immerhin 1968 zur Abschaffung des Paragraphen 175 und die sowjetische SF hatte durchaus schöne Visionen einer lebenswerten Zukunft entwickelt. Aber etwa in Rumänien war da nach '45 ein System entstanden, das sich vom faschistischen System vor dem Krieg kaum unterschied.
2. Im Kern gab es einen alles erdrückenden Etatismus. Ein System, wo der Staat zugleich Unternehmer, Gewerkschafter und Arbeitgeber, Hauswirt und Vermieter, Bauer, Gastwirt und Ladenbesitzer war. Und zwar nur der Staat.
3. Ergänzend zum Etatismus einen wahnhaften Autoritarismus, der die Menschen zu Lüge und Heuchelei erzog. Soweit ich es überblicken konnte, geriten gerade diejenigen in Gegensatz zum System, die aus dem Sozialismus "was machen" wollten. Auch und gerade konstruktive Kritik galt als Beleidigung und Hochverrat.
So vergraulten die Apparatschiks im Osten irgendwann auch und gerade die Linken. Einerseits war Sozialismus die Staatsideologie, andererseits landete jemand, der das Ernst nahm, unweigerlich in der inneren Emigration oder dem Westen, im Bautzen oder dem Gulag.
4. Das führte IMHO zum Entstehen einer Schicht aus Nomenklatura und Kleinbürgern, die mehr oder weniger faschistisch, faschistoid oder kleinbürgerlich-reaktionär war. Das Spektrum geht so von Frau Merkel bis zu jenem rassistischen Mob, der nach der Wende Pogrome an Ausländern veranstaltete. Diese Schicht und nicht die eigentlichen Dissidenten gibt heute in den Transformationsländern den Ton an. Das System hat sich nicht wirklich gewandelt, sondern nur die Maske fallen lassen. Der Humanismus war den Apparatschiks eh suspekt und fern und die Staatswirtschaft war zur Selbstbedienung nur begrenzt tauglich. In der SU mussten auch die hohen Schranzen eher zurückhaltend leben - heute lassen die russischen Neureichen die Sau raus.
5. Nicht zu Unrecht kam nach dem Fall der Mauer das Wort von den "Wendehälsen" auf. Weil da immer noch Angehörige des alten Apparates am Werk waren, die nur mal eben die Ideologie gewechselt hatten. Weil da Gestalten und Diskurse am Werk sind, wo vor 1989 dem Staatssozialismus unkritisch gehuldigt wurde. Nach '89 wurde ebenso unkritisch dem Kapitalismus und der bürgerlichen Gesellschaft gerade in ihren reaktionärsten Formen gehuldigt. Viele waren da von den roten Schergen wohl nur insofern verfolgt, als sie nicht an die Bananen rankamen und es mit der Karriere unter Honecker und co. noch nicht so lief.
Wobei mir schon der Gedanke gekommen ist: die haben mit ihrer Dummheit und ihrem Opportunismus den Sozialismus kaputt gemacht und sie werden auch den Kapitalismus kaputt kriegen.