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Schweiz: Die Aufgeregtheit der zu spät Aufgewachten
Die Angst der Schweiz vor Großmacht-Teutonen
Von Matthias Daum
Dass ein Deutscher wie Finanzminister Steinbrück in der Schweiz mit Nazis verglichen wird, ist nichts Neues. Das Feindbild des "hässlichen Deutschen" ist schon älter. Geschürt wird es in letzter Zeit von der Tatsache, dass in der Schweiz viele deutsche Einwanderer leben. Die anrückenden Teutonen verunsichern viele Eidgenossen.
Bereits im Herbst hatte er der Schweiz im Steuerstreit mit der Peitsche gedroht. Nun zog Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erneut blank. Die Schwarzen Listen seien die „siebte Kavallerie in Fort Yuma, die man auch ausreiten lassen kann“. Zwingend sei dies jedoch nicht: „Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt.“ Die trockene Verbalattacke machte Steinbrück in der Eidgenossenschaft zum Buhmann.
Der deutsche Botschafter in Bern wurde ins Außenministerium bestellt. Die Boulevardpresse titelte in Schwarz-Rot-Gold über einem Porträt Steinbrücks: „Der hässliche Deutsche“. Diebisch freuten sich die Schlagzeilenmacher über die Resonanz ihrer Zeilen. Und in einer Parlamentsdebatte ergriff ein politischer Nobody die Chance, die geballte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der Christdemokrat Thomas Müller sagte: „Peer Steinbrück erinnert mich an jene Generation von Deutschen, die vor 60 Jahren mit Ledermantel, Stiefel und Armbinde durch die Gassen gegangen sind.“
Es ist nicht das erste Mal, dass Schweizer Prominente im Streit über Steueroasen und -wüsten zu Nazi-Vergleichen greifen. Pierre G. Mirabaud, Präsident der Schweizer Bankiervereinigung, bezichtigte Deutschland der „Gestapo-Methoden“, als das Land vor einem Jahr Druck auf Liechtenstein ausübte –später entschuldigte sich der Bankier. Im vergangenen Oktober wurde Steinbrück selbst in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt. Als Antwort auf die Peitschen-Drohung fragte die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei: „Heute will Herr Steinbrück wie 1934 den Geschäftsverkehr mit der Schweiz belasten, was wird dieser Mann wohl in fünf Jahren tun?“
Die Anleihen Schweizer Politiker an die Nazi-Zeit hat weniger mit eigener Weltkriegserfahrung als mit den jüngsten Migrationsbewegungen zu tun. Die starke Zuwanderung von Deutschen hat die Mittel- und Oberschicht verunsichert. Sieben Millionen Einwohner zählt die Schweiz, 224.300 davon sind Deutsche. Aus der Angst lässt sich politisch Profit schlagen. Denn die gut ausgebildeten Einwanderer sind das, was Italiener, Spanier und Jugoslawen früher für die Arbeiterklasse waren: eine direkte Konkurrenz. Nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch bei der Wohnungssuche, im Liebesleben oder bei der Tischreservierung im Restaurant. Entsprechend dünnhäutig reagieren diese gut situierten Kreise – dazu zählen auch sämtliche Medienschaffende – auf verbale Spitzen aus Berlin. Die globale Wirtschaftskrise verstärkt diese Ressentiments gegenüber einer angeblichen „teutonischen Großmannssucht“.
Hinzu kommt, dass Schweizer Politiker sehr frustriert sind, weil die wegweisenden politischen Entscheidungen im vergangenen halben Jahr allesamt über ihre Köpfe gefallen sind. Sowohl beim Rettungspaket für die Großbank UBS als auch bei der Übergabe der Daten von 300 zumeist unbescholtenen UBS-Kunden an die USA handelte die Exekutive in Eigenregie. Der Ärger darüber, das jahrzehntelang als „nicht verhandelbar“ verteidigte Bankgeheimnis unter internationalem Druck verraten zu haben, tut ein Übriges.
Da sind Nazi-Vergleiche hochwillkommene Nebelkerzen, die davon ablenken sollen, dass man die politische Großwetterlage unterschätzt hat – wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten. Der Historiker Georg Kreis bezeichnete die jetzige Empörungswelle als „Aufgeregtheit der zu spät Aufgewachten“.
aus Welt Online >>
Die Angst der Schweiz vor Großmacht-Teutonen
Von Matthias Daum
Dass ein Deutscher wie Finanzminister Steinbrück in der Schweiz mit Nazis verglichen wird, ist nichts Neues. Das Feindbild des "hässlichen Deutschen" ist schon älter. Geschürt wird es in letzter Zeit von der Tatsache, dass in der Schweiz viele deutsche Einwanderer leben. Die anrückenden Teutonen verunsichern viele Eidgenossen.
Bereits im Herbst hatte er der Schweiz im Steuerstreit mit der Peitsche gedroht. Nun zog Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erneut blank. Die Schwarzen Listen seien die „siebte Kavallerie in Fort Yuma, die man auch ausreiten lassen kann“. Zwingend sei dies jedoch nicht: „Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt.“ Die trockene Verbalattacke machte Steinbrück in der Eidgenossenschaft zum Buhmann.
Der deutsche Botschafter in Bern wurde ins Außenministerium bestellt. Die Boulevardpresse titelte in Schwarz-Rot-Gold über einem Porträt Steinbrücks: „Der hässliche Deutsche“. Diebisch freuten sich die Schlagzeilenmacher über die Resonanz ihrer Zeilen. Und in einer Parlamentsdebatte ergriff ein politischer Nobody die Chance, die geballte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der Christdemokrat Thomas Müller sagte: „Peer Steinbrück erinnert mich an jene Generation von Deutschen, die vor 60 Jahren mit Ledermantel, Stiefel und Armbinde durch die Gassen gegangen sind.“
Es ist nicht das erste Mal, dass Schweizer Prominente im Streit über Steueroasen und -wüsten zu Nazi-Vergleichen greifen. Pierre G. Mirabaud, Präsident der Schweizer Bankiervereinigung, bezichtigte Deutschland der „Gestapo-Methoden“, als das Land vor einem Jahr Druck auf Liechtenstein ausübte –später entschuldigte sich der Bankier. Im vergangenen Oktober wurde Steinbrück selbst in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt. Als Antwort auf die Peitschen-Drohung fragte die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei: „Heute will Herr Steinbrück wie 1934 den Geschäftsverkehr mit der Schweiz belasten, was wird dieser Mann wohl in fünf Jahren tun?“
Die Anleihen Schweizer Politiker an die Nazi-Zeit hat weniger mit eigener Weltkriegserfahrung als mit den jüngsten Migrationsbewegungen zu tun. Die starke Zuwanderung von Deutschen hat die Mittel- und Oberschicht verunsichert. Sieben Millionen Einwohner zählt die Schweiz, 224.300 davon sind Deutsche. Aus der Angst lässt sich politisch Profit schlagen. Denn die gut ausgebildeten Einwanderer sind das, was Italiener, Spanier und Jugoslawen früher für die Arbeiterklasse waren: eine direkte Konkurrenz. Nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch bei der Wohnungssuche, im Liebesleben oder bei der Tischreservierung im Restaurant. Entsprechend dünnhäutig reagieren diese gut situierten Kreise – dazu zählen auch sämtliche Medienschaffende – auf verbale Spitzen aus Berlin. Die globale Wirtschaftskrise verstärkt diese Ressentiments gegenüber einer angeblichen „teutonischen Großmannssucht“.
Hinzu kommt, dass Schweizer Politiker sehr frustriert sind, weil die wegweisenden politischen Entscheidungen im vergangenen halben Jahr allesamt über ihre Köpfe gefallen sind. Sowohl beim Rettungspaket für die Großbank UBS als auch bei der Übergabe der Daten von 300 zumeist unbescholtenen UBS-Kunden an die USA handelte die Exekutive in Eigenregie. Der Ärger darüber, das jahrzehntelang als „nicht verhandelbar“ verteidigte Bankgeheimnis unter internationalem Druck verraten zu haben, tut ein Übriges.
Da sind Nazi-Vergleiche hochwillkommene Nebelkerzen, die davon ablenken sollen, dass man die politische Großwetterlage unterschätzt hat – wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten. Der Historiker Georg Kreis bezeichnete die jetzige Empörungswelle als „Aufgeregtheit der zu spät Aufgewachten“.
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