Rechte Ideologie und Propaganda in israelischen Lehrbüchern
„Schreckliche Erziehungsmethoden“ –
20. Februar 2013 –
Palästinensische Bankangestellte, Kindergärtner, Zahnärzte und Automechaniker – in israelischen Schulbüchern existieren Araber als „normale Personen“ nicht. Sie würden lediglich als „Bedrohung“ und „Problem“ reflektiert. Die Lehrbücher dienten als Werkzeuge zur „Einimpfung diskriminierender und rassistischer Anschauungen“ und „Ignoranz“ gegenüber den arabischen Nachbarn, sagt Nurit Peled-Elhanan, Autorin einer Studie mit dem Titel „Palästina in israelischen Schulbüchern. Ideologie und Propaganda in der Bildung“*. Mit prästabilisierten Negativ-Klischees und Zerrbildern würden jüdische Jugendliche in die Armee eingezogen, „um die israelische Politik gegen die Palästinenser durchzusetzen, deren Lebenswelt ihnen unbekannt ist und deren Existenz sie fürchten und ablehnen gelernt haben“. Der Staat Israel habe zu keinem Zeitpunkt die Friedenserziehung und die Koedukation von jüdischen und palästinensischen Schülern gefördert.
Zu dieser Ideologie gehört die negative Darstellung der Palästinenser. Sie sagen, diese kämen nur als Ali-Baba-Karikaturen, Terroristen, primitive Bauern oder Flüchtlinge oder gar nicht vor. Welche Botschaft wird mit diesen Bildern bzw. mit dem Bilderverbot transportiert?
Wenn man so viele Menschen unterdrücken und kontrollieren will, dann muss man ihnen ihr menschliches Antlitz nehmen und es durch Stereotype ersetzen. Die Palästinenser werden nicht als Individuen gezeigt, nicht als Menschen mit einer Kultur, sondern nur als Problem und als Bedrohung, die beseitigt werden müssen. Es ist viel einfacher, jemanden zu töten, der keine menschlichen Züge trägt, als jemanden, den man kennt und der einem vertraut ist. Es geht darum, gute Soldaten aus den Schülern zu machen. Je weniger sie wissen, desto besser.
Wann tauchte die antipalästinensische Propaganda in den Schulbüchern auf? Ist sie seit der Staatsgründung vorhanden und gehört zur Matrix des israelischen Bildungssystems? Gab es Unterschiede zwischen der Zeit vor dem Sechs-Tage-Krieg und danach und während der beiden Intifadas, dem Oslo-Friedensprozess und nach 9/11?
Nein. Es findet sich durchgehend eine kolonialistische Haltung. Die Judaisierungsideologie geht mit der Forderung der Entarabisierung des Landes einher. Und 9/11 wird als Ereignis rezipiert, das nur noch beweist, dass wir die ganze Zeit im Recht waren.
Die Landkarten zeigen auch nicht die „grüne Linie”, die mit dem Waffenstillstand von 1949 gezogene Grenze Israels zum Westjordanland, sondern nur das „Heilige Land”, das auch das seit 1967 besetzte Samaria und Judäa einschließt und in dem mittlerweile Hundertausende von Juden illegal siedeln. Heißt das, im israelischen Bildungssystem wird eine Zwei-Staaten-Lösung gar nicht in Erwägung gezogen? Welche Friedenslösung wird propagiert?
Es ist keine Lösung vorgesehen. Es gibt nur die Botschaft, die Palästinenser wollen keinen Frieden. Sie wollen uns töten, und sie wollen die Juden auslöschen. Die Frage Ein-Staat-Lösung oder Zwei-Staaten-Lösung wird nicht erörtert.
Werden in den Schulen auch keine anderen Konzepte für einen Friedensprozess diskutiert?
Nein, nie. Das gilt für das gesamte Bildungssystem in Israel. Es wird nur gelehrt, dass Yitzhak Rabin es versucht habe, aber gescheitert sei, weil die Palästinenser nicht einlenken wollten und das Oslo-Abkommen nicht eingehalten hätten.
Und was lernen israelische Kinder über den Iran? Wird Kriegspropaganda betrieben?
Ja. Egal, ob es um den Iran geht, um Libanon, Syrien oder Jordanien – alles, was die Kinder lernen, ist, dass wir von Feinden umgeben sind, die uns vernichten wollen. Die Schüler erfahren viel über Europa, aber kaum etwas über unsere Nachbarn. Vielleicht einmal etwas über die iranische Wirtschaft aus einem Geographiebüchern, aber nichts über die Literatur, nichts über die Menschen, die dort leben. Nie.
Sie forschen auch intensiv zu dem Umgang mit dem Tod in den Schulbüchern. Die israelische Jugend wird dazu erzogen, sich zu opfern und es akzeptabel zu finden, andere zu töten. Ist es nicht völlig normal, dass in einem Land, das seit 65 Jahren mehr oder weniger in einem konstanten Kriegszustand lebt, eine entsprechende „Moral“ – der Auflösung zivilgesellschaftlicher Tabus und der Brutalisierung der Bevölkerung – entwickelt wird? Oder haben sich in Israel besondere heroistische Mythen herausgebildet?
Nein. Wie überall heißt es: Wir müssen wachsam sein, unsere Feinde schlagen. Niemand hilft uns, alle sind antisemitisch. Die Nation, das zionistische Narrativ und die Loyalität zum Staat und zu den Streitkräften ist das Wichtigste. In den USA gibt es eine ähnliche Erziehung. Aber deren Feinde sind weit entfernt. Das einzig Besondere an Israel ist: Es ist nicht ein Staat, der eine Armee hat – es ist eine Armee, die einen Staat hat. Sie ist heilig und erfährt eine Bewunderung, die herausragend ist in der Welt. Es ist eine merkwürdige Melange aus Faschismus und Religiosität, die sie zum zentralen Wert des Lebens erheben. Jeder will zur Armee. Sie ist die Eintrittskarte in die Gesellschaft.
Ist das nicht auch ein Ergebnis der Tatsache, dass die Bevölkerung das kollektive Trauma der Shoah zu bewältigen hat und mit dem partikuralen Imperativ „Es darf uns nie wieder passieren“ und nicht mit dem universellen Imperativ „Es darf nie wieder passieren“ sozialisiert wurde?
Mit der Shoah wird in einer sehr manipulativen Art umgegangen. Die Idee eines Staates Israel ist lange vorher entstanden. Die zionistische Führung hat nichts unternommen, um den verfolgten Juden zu helfen. Ben Gurion hat sich nicht um sie gekümmert. Und heute benutzt die Regierung die Shoah, um die Kinder zu traumatisieren und sie die nichtjüdischen Anderen fürchten zu lehren. Jedes Jahr zum Holocaust-Gedenktag werden den Schülern Horror-Bilder gezeigt und von den „Gojim“ erzählt, die die Juden ermorden wollen. So ist es sehr einfach zu sagen, töte deinen Nachbarn – er ist einer von ihnen. Die Shoah ist ein geeignetes Werkzeug, um eine permanente Panik und Hysterie zu erzeugen. Das ist eine schreckliche Erziehungsmethode.
Die israelischen Schüler werden für einen Besuch der Holocaust-Gedenkstätte in Auschwitz nach Polen geschickt.
Es sind vorwiegend die Kinder der Eliten, die dorthin fahren, bevor sie in die Armee eintreten. Die Eltern müssen das Geld für die Reise aufbringen. Aber alle Jugendlichen möchten mit. Sogar die arabischen, in der Hoffnung, auch einen Platz in der Gesellschaft zu bekommen. Bei dem Auschwitz-Besuch lernen sie, dass wir eine starke Armee brauchen, damit das nie wieder passieren kann und dass die Araber, vor allem die Palästinenser, die „Nazis von heute“ sind. Über die historischen Geschehnisse damals und die Ursachen, auch über Polen, erfahren die Kinder kaum etwas. Daher sind viele Holocaust-Forscher gegen diese Fahrten. Einige Schulen gehen analytischer mit der Shoah um und behandeln beispielsweise die Frage, wie jemand zum Massenmörder wird oder dazu kommt, andere Kriegsverbrechen zu begehen. Aber ein kritischer Bezug zu den Taten unserer eigenen Armee wird dabei niemals hergestellt. „Es darf nie wieder irgendjemanden passieren“, hört man allerdings nirgendwo, nicht in Europa, nicht in Amerika – und natürlich nicht bei uns. Uns ist es egal, wer der Feind ist, solange er nicht Jude ist. Er ist antisemitisch und will uns umbringen. Daher müssen wir ihm zuvor kommen und ihn töten.
Welche Rolle spielt der Mythos, die israelische sei die „moralischste Armee der Welt“?
Vielleicht stimmt es, und andere Armeen sind noch schlimmer. Oh ja, wir sind moralisch – sehr moralisch!
Und zwar weil…?
Natürlich weil wir Juden sind! Wir haben humanistische Werte, die alle aus dem Judentum stammen. Vor allem die Schulbuch-Veröffentlichungen der letzten Jahre enthalten eine Unterrichtseinheit, die „Die israelische Kultur“ genannt wird. Da wird gelehrt, dass wir die am höchsten entwickelte Moral haben, die wir die Welt lehren. Daher können wir auch kein Unrecht begehen. Sogar Massaker – es wird immer ein Weg gefunden, sie zu legitimieren. Beispielsweise mit der Behauptung, sie seien nötig gewesen, um einen jüdischen Staat für eine jüdische Mehrheit aufzubauen.
Wie gehen israelische Lehrer mit Rassismus und Geschichtsfälschungen in den Schulbüchern um? Gibt es Protest?
Nein. Die Lehrer sind ja nach demselben Muster erzogen. Sie haben in der Regel kein Problem damit. Die eine oder andere Diskussion gibt es, aber nur in einer Bewegung mit dem Namen „Politische Lehrer“ – eine private Initiative.
Gibt es keine Interventionen, beispielsweise von kritischen Gewerkschaftern aus dem Bereich Erziehung?
Nein. Die kümmern sich lediglich um die Gehälter. Es gibt einen Gewerkschaftschef, der linke Kritik gegen die Okkupation geäußert hat. Der wird nun gefeuert. Er ist eine Ausnahme. Die Leute hier haben Angst. Sie wollen einen Job und keinen Ärger. Sie schwimmen mit dem Strom.
Es gibt Schulbücher, die kritische, zumindest ausgewogene Positionen beziehen, die aber nicht verwendet werden. Wie ist das möglich – es gibt keine Zensur in Israel?
Die Lehrbücher werden von privaten Verlagen für den freien Markt produziert. Die Auswahl ist groß. Aber es gibt Komitees, die die Bücher prüfen. Alle, die beispielsweise Zitate von Palästinensern enthalten oder zu links sind, werden einfach nicht autorisiert.
Vielen Dank.
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