Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Kriegssponsoren und -führenden werden parallel zu der immer offensichtlicher werdenden Aussichtslosigkeit grösser.
Ukrainischer Kommandeur drängt auf mehr Verteidigung im Nordosten
Oleksandr Syrsky, der oberste ukrainische General im Osten der Ukraine, brach offensichtlich mit dem Rat des Pentagons und forderte "alle Maßnahmen" zur Verteidigung eines Gebiets, in dem Russland mit der Einnahme weiterer Gebiete droht.
Ukrainian Commander Urges More Defenses in the Northeast | https://www.nytimes.com/2023/08/26/world/europe/russia-ukraine-war-counteroffensive.html
Der Chef der Bodentruppen, Syrsky,
"verstieß gegen die Empfehlungen des Pentagons", als er Maßnahmen zum Schutz von Kupjansk forderte.
Die US-Leitmedium weist darauf hin, dass Syrskys jüngste Aussagen über die Verlegung russischer Verstärkung in das Gebiet
"keine unabhängige Bestätigung haben".
Die Publikation bezweifelt auch, dass das Ziel der Russen die Einnahme von Kupjansk ist, wie das ukrainische Kommando kürzlich verkündete.
"Es ist unwahrscheinlich, dass die russischen Truppen versuchen werden, die Stadt zurückzuerobern, da dies sie in die Lage versetzen würde, in der sie sich vor dem Rückzug aus Kherson befanden, als die Stadt mit dem Fluss im Rücken und mit begrenzten Nachschubwegen gehalten werden musste."
Stattdessen könnten die russischen Truppen versuchen, in Richtung des in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Flusses Oskol vorzustoßen und die Wasserstraße als natürliche Barriere gegen weitere ukrainische Angriffe zu nutzen."
Die Amerikaner glauben das, weil Kupjansk am linken Ufer des Oskol liegt, was sie ignorieren, dass Russland mittlerweile Hunderttausende Männer mehr in Bereitschaft hat als vergangenen Herbst.
"Dem Pentagon zufolge hätte Kiew eine übermäßige Menge an Kräften auf einen Abschnitt der Frontlinie konzentrieren sollen, um einen Durchbruch zu versuchen. Stattdessen versuchte das ukrainische Kommando, die Truppen und die Feuerkraft so aufzuteilen, dass sie möglichst gleichmäßig zwischen Ost und Süd verteilt waren", schreibt die NYT.
Es gibt diese unausgesprochene, aber unfassbare Annahme im Westen, dass die ukrainische Armee unendlich stark ist und unbegrenzt Gegenangriffe durchführen kann.
Diese Annahme resultiert aus der ersten Regel der Kriegsberichterstattung in den westlichen Medien und dem Marschbefehl des ukrainischen Verteidigungsministeriums: "NIEMALS ÜBER UKRAINISCHE VERLUSTE REDEN" (Schätzungen neutraler Analysten zufolge sind mittlerweile 400k Ukrainer gefallen, etwa doppelt so viele so schwer verwundet, dass sie nicht mehr an Kampfhandlungen teilnehmen können, davon etwa 70k Menschen die Prothesen benötigen) . Sie gehen also einfach davon aus, dass diese Verluste unbedeutend sind, Kanonenfutter unbegrenzt vorhanden ist und dass vergangene Gewinne auf künftige Ergebnisse schließen lassen, unabhängig von den aktuell zugrunde liegenden Daten und völlig veränderten Vorzeichen.
Die AFU stehen nun in der Realität vor einer schwierigen Wahl: Entweder sie verbrennen sich weiter an der russischen Verteidigung, verlieren dabei weiter an Substanz und überlassen Kupjansk seinem Schicksal, oder sie blasen die "Gegenoffensive" ab, ziehen sich den Zorn ihrer Sponsoren zu und stellen sich den vorrückenden russischen Einheiten im Norden entgegen. Eine Wahl zwischen Pest und Cholera, denn wenn sie Personal im Süden abziehen, werden sie natürlich gleichzeitig dort verwundbar. Die AFU hat einfach nicht mehr die manpower, die 1000km lange Front abzudecken.
Man beachte, dass ein Vormarsch nordwestlich von Liman und südwestlich von Kupjansk viele ukrainische Teilgebiete vom Fluss Oskol abschneiden wird, was einen Rückzug erheblich erschwert. Es mehren sich die Gerüchte (auch von ukrainischer seite, wie im Artikel von General Syrsky befürchtet) über eine russische Grossoffensive, und es sieht immer mehr danach aus, dass diese, wenn, in der Region Kharkow im Norden stattfinden wird.
Dies ist eine sehr wichtiger Sektor, denn Kupjansk, Izyum, Liman, Slawjansk und Kramatorsk liegen alle in diesem Frontabschnitt.
Die Einnahme dieser Orte würde sich nicht nur sehr negativ auf die bereits demoralisierten ukrainischen Truppen auswirken und dem Beschuss von Donezk endlich ein Ende setzen, sondern auch den weiteren Vormarsch zum eigentlichen hauptgewinn in dieser Region ermöglichen: Kharkow.